00.000.1839
- 00.000.1937 ROCKEFELLER I , John Davison
"Das
läßt sich nicht mischen, John, das läßt
sich nicht mischen !"
Karikatur
von Ireland aus dem Columbas 'Dispatch'
Wohl
der bedeutendste unter den amerikanischen Wirtschaftscäsaren,
derjenige
jedenfalls,
den
man am beharrlichsten mit Schmähungen überhäuft
hat,
war
John
Davison Rockefeller, der
im
Jahre 1839
in
dem Dörfchen Richford,
im
Staate New
York,
geboren
wurde.
Gottes
Gnade hat ihm volle
achtundneunzig
Lebensjahre
beschieden
und
ihn
dazu mit außergewöhnlichen Geisteskräften
gesegnet.
Er
hatte nur einen einzigen Fehler:
es
wollte ihm ganz und gar nicht in den Sinn,
daß
man der Allgemeinheit gelegentlich auch etwas Rücksicht
schulde.
Die
vielköpfige Familie
William
und Eliza Rockefeller
war
nicht immer auf Rosen gebettet.
Des
Vaters recht mysteriöser Beruf
hielt
ihn oft viele Monate hintereinander von Hause fern;
dann
mußte man die Miete schuldig bleiben und die Speisekammer
war leer.
Plötzlich
erschien der Ernährer wieder von irgendwoher auf der
Bildfläche,
die
Miete wurde bezahlt,
es
gab reichlich zu essen
und
den Kindern wurden neue Kleider gekauft.
Aber
immer seltener kam der Vater nach Hause.
Und
dann blieb er auf einmal ganz weg.
Über
William
Rockefellers Beruf
wurde
beim Dorfkrämer viel herumgeraten.
Was
tat er denn überhaupt?
Aus
Mrs. Rockefeller
bekam man nichts heraus,
und
die Kinder hatten einfach keine Ahnung.
Vater
Rockefeller
war eine große, schöne, strahlende Erscheinung.
Man
hielt ihn im allgemeinen für einen ziemlichen Filou,
und
vielleicht waren die neugierigen Einwohner von Richford
deshalb
nicht weiter überrascht,
als
ihnen jemand von einem Plakat erzählte,
das
er in einem Hotel in Ohio gesehen haben wollte.
Auf
ihm gab ein Dr.
William Rockefeller bekannt,
daß
er alle schweren Krankheiten heile
und
in Kürze am Ort kostenlose Sprechstunden abhalten werde.
Selbst
nach den mehr als großzügigen Maßstäben
der
damaligen Zeit
war
William Rockefeller
nichts
weiter als ein Quacksalber.
Aber
der Doktortitel wurde nach Belieben geführt,
und
Hunderte solcher Wander„Doktoren" durchstreiften
ungehindert das Land
und
zogen den Leuten das
Geld
aus der Tasche.
Auch
der alte Rockefeller
muß seine fetten Jahre gekannt haben, denn
1858
borgte
er seinem Sohne John
ohne viele Umstände
tausend
Dollar zu zehn Prozent
und
stellte ihm den Betrag sogar für seinen
einundzwanzigsten
Geburtstag
als
Geschenk in Aussicht,
sofern
die Zinsen bis dahin pünklich bezahlt werden würden.
Mit
diesen tausend Dollar
beteiligte
sich der
damals
achtzehnjährige
John
in
Cleveland
an
der Gründung einer Produktenhandlung
unter
der Firma
Clark
& Rockefeller.
Zwei
Jahre vorher
war
er in die Stadt gezogen und hatte für ein Wochengehalt von
dreieinhalb Dollar
in
einer Firma dieser Branche gearbeitet;
gleichzeitig
hatte er die Handelsschule besucht.
Es
ist interessant, daß der junge Mann schon damals von
seinem Gehalt
Monat
für Monat $ 1,80 für religiöse Zwecke,
nämlich
für die baptistische Sonntagsschule,
die
New-Yorker
Stadtmission und ein frommes Blättchen abzweigte.
Er
mußte Winter und Sommer den gleichen schäbigen Anzug
tragen,
hat
diese Zuwendungen aber kein einziges Mal gestrichen.
Der
jungen Firma Clark
& Rockefeller
ging es von Anfang an ausgezeichnet.
Schon
am Ende des ersten Geschäftsjahres wiesen die Bücher
einen Umsatz
von
nahezu einer halben Million Dollar auf.
Rockefeller
war zu bescheiden, als daß er sich damals oder später
seiner
Leistungen gerühmt hätte.
Trotzdem
wird es den Führern der Geschäftswelt Clevelands
nicht
lange verborgen geblieben sein,
daß
sie in diesem schlanken, höflichen und frommen jungen Mann,
der
sich still seinen Geschäften widmete,
eine
außergewöhnliche Persönlichkeit vor sich hatten.
Ihn
traf jedenfalls die Wahl, als sie
im
Frühling 1860
jemanden
nach Pennsylvanien
zu den neuen Petroleumfeldern
zu schicken beschlossen,
der
sich an Ort und Stelle ein Urteil über die dortigen
Investitionsmöglichkeiten
verschaffen
sollte.
Von
weitem hatte man nämlich den Eindruck,
daß
dort eine Massenpsychose umging, wie sie
seit
den Tagen von Neunundvierzig
nicht
mehr geherrscht hatte.
Rockefeller
war damals zwanzig.
Nach
seiner Rückkehr riet er seinen Auftraggebern,
von
dem turbulenten Geschäft der eigentlichen Gewinnung des
Petroleums
lieber
die Finger zu lassen.
Bei
der Raffinerie sei schon eher Geld zu verdienen,
wenn
auch ebenfalls nicht ohne Risiko.
Unter
allen Umständen aber solle man die ganze Sache im Auge
behalten.
Der
erste Anstoß zu dem Rummel,
dem
der junge Rockefeller
auf den Grund gehen sollte,
war
von mehreren Männern ausgegangen, die,
ganz
unabhängig voneinander,
auf
dieses neue Tätigkeitsfeld verschlagen worden waren.
Es
handelte sich dabei um die Verwertung einer Substanz,
die
man Steinöl,
Senecaöl
oder auch Petroleum
nannte.
Schon
seit mindestens zwei Generationen
war
ein Nebenfluß des Allegheny
in Pennsylvanien
unter
dem Namen Oil Creek bekannt gewesen.
Die
Farmer der Gegend pflegten auf seiner Oberfläche eine ölige
Masse abzuschöpfen,
mit
der sie ihre Wagenräder schmierten.
Auch
waren Quacksalber gekommen und hatten das „Öl"
in Flaschen abgefüllt;
sie
beklebten diese mit pompösen Etiketten und verkauften das
Zeug
im
ganzen Osten der Vereinigten
Staaten als AIlerwelts-Heilmittel.
Einer
von diesen Ouacksalbern war ein zweiter Barnum;
er
nannte sich „Doc" Samuel M. Kier
und
pries sein schönes Produkt mit Plakaten an,
die
von weitem wie Vierhundert-Dollar-Banknoten aussahen.
Kam
man näher heran, so war Bank das englische Wort für
Flußufer
und
bezog sich auf den Allegheny,
während
die Zahl Vierhundert die vierhundert Fuß unter dem
Erdboden bezeichnete,
von
woher das magische Öl
mit Hilfe von Bohrtürmen an die Oberfläche gepumpt
wurde.
Außerdem
befanden sich auf dem Plakat noch Bohrtürme,
ein
wohlwollend dreinschauender Indianerkopf,
Columbia
in Person und das Wappen der USA.
Obgleich
das Petroleum
ursprünglich nur ein Nebenprodukt
eines
ihm gehörigen Salzwerkes war,
machte
Kier es bald zu seinem wichtigsten Erzeugnis;
er
stellte fünfzig mit Rot und Gold bemalte Fahrzeuge ein,
auf
deren Seitenflächen sich das Bild des guten Samariters
befand,
der
gerade damit beschäftigt war,
unter
einem Palmenbaum einen Kranken zu behandeln.
In
Pittsburgh
richtete Doc Kier außerdem einen Destillationsbetrieb ein
-
die
erste Petroleumraffinerie
ib den Vereinigten
Staaten .
Hier
gelang es ihm, ein weinfarbenes Destillat zu erzeugen,
dem
er den Namen Carbon Oil verlieh.
Er
erfand dazu eine Lampe,
die
man mit diesem Produkt speisen konnte
und
die ein ganz anständiges Licht spendete;
nur
stank sie so fürchterlich,
daß
der Verkauf des Öles
und der Lampe fast im gleichen Augenblick wieder abbrach,
in
dem er angefangen hatte.
Kier
war ein tüchtiger Mann, er gab sich die größte
Mühe,
aber
er war seiner Zeit zu weit voraus.
Zehn
Jahre mußten noch vergehen, bis es anderen
Raffineriebesitzern -
die
lediglich in seine Fußstapfen traten -
gelang,
das Petroleum
von seinem üblen Geruch zu befreien.
Der
Name „Petroleum"
hatte sich inzwischen jedoch als Bezeichnung für das
Produkt allgemein eingebürgert.
Aber
wir sind den Ereignissen vorausgeeilt.
Gegen
Ende der fünfziger Jahre zeigte Dr. Alpheus Crosby,
Chemieprofessor
am Dartmouth College,
seinem
ehemaligen Schüler George
H. Bissell
eine
Flasche mit diesem Petroleum.
Dr.
Crosby hatte mit der Flüssigkeit herumanalysiert
und
war der Ansicht, „an dem Zeug müsse entschieden etwas
dran sein".
Die
beiden Chemiker sprachen über die Verwertungsmöglichkeiten,
und
Bissell,
ein Mann mit Phantasie und Unternehmungsgeist,
fuhr
spornstreichs ins Petroleumgebiet
und pachtete ein Stück Land,
auf
dem sich solch eine Ölquelle
befand.
Dann
sandte er eine Probe der Flüssigkeit an Benjamin
Silliman jr.
von
der Yale-Universität.
Silliman
verwendete sieben Monate
emsiger
Arbeit auf die gründlichste Analyse, die je von dem Stoff
gemacht worden ist.
In
seinem Bericht, der
noch
heute, nach hundert Jahren,
zu
den klassischen Arbeiten über das Petroleum
gehört,
stellte
er fest,
daß
man es zu einem ausgezeichneten Leuchtöl
raffinieren
und
außerdem noch weitere hochwertige Nebenprodukte daraus
gewinnen könnte,
wie
zum Beispiel Paraffin und Naphtha.
Bissell
blieb nicht müßig.
Er
beauftragte einen Mann namens Edwin L. Drake
mit
der Errichtung des ersten Bohrturmes in der Geschichte des
Petroleums.
Drakes
Vorbildung für diese Aufgabe bestand nur in einigen Jahren
Billettknipsens
bei
der New-Haven-Eisenbahn;
von
Petroleum
,Grundstücken oder kaufmännischen Dingen wußte
er herzlich wenig.
Dafür
hatte er sich aber mit allen seinen Ersparnissen -
an
die zweihundert Dollar -
an
Bissells Unternehmung beteiligt + nun war es nicht mehr als
Bissells Pflicht,
etwas
für ihn zu tun.
Also
zog Drake nach Titusville in Pennsylvanien
und herrlichem Ruhm entgegen.
Nach
Überwindung der unglaublichsten Schwierigkeiten bei der
Errichtung der Bohrtürme
wie
auch beim Bohren selber
glückte
Drake
an
einem schönen-
Augusttag
des Jahres 1859
der
erste Petroleumgeiser
in der Geschichte Amerikas.
Das
Öl
fing gleich mit fünfundzwanzig Barrel täglich an zu
sprudeln.
Auf
einem alten Bild sieht man den bärtigen Drake
wie
einen Propheten mit verträumten Augen in die neue Zeit
blinzeln,
in
das Zeitalter des Kerosins, die Vorstufe unseres
Benzin-Jahrhunderts.
Daß
Drake weder von der großen Zukunft des Petroleums
etwas geahnt hat,
noch
sich bewußt war, welch große Umwälzung er mit
der Erschließung
dieser
ersten Petroleumquelle
eingeleitet hatte,
wird
ihm die Aureole des Propheten nicht rauben können.
Drake
hatte einen vollständig neuen Stoff erschlossen,
der
das Leben der gesamten Menschheit allmählich von Grund auf
verwandeln sollte.
Zunächst
aber verwandelte das Petroleum
erst einmal West-Pennsylvanien
aus
einer unentwickelten Hinterwäldlergegend in ein
industrielles Dschungel
voll
fieberhafter Betriebsamkeit.
Grauenhaft
häßliche Städte mit Namen wie
Qil
City,
Pithole,
Petrolia
oder
Babylon
entstanden
an den schleimigen Bächen.
Titusville
wurde
über Nacht zur Petroleum-Metropole
mit
einer Bevölkerung
von zweiundzwanzigtausend emsigen Männern und Frauen.
Die
Eisenbahngesellschaften überboten sich gegenseitig in dem
Bestreben,
die
Gegend durch den Schienenstrang zu erschließen;
behelfsmäßige
Straßen wurden in größter Eile
von
den neugebohrten Ölquellen
zu den Bahnkörpern gebaut.
Noch
ehe der Bürgerkrieg zu Ende ging,
war
die einstige Wildnis West-Pennsylvaniens
von Bohrtürmen übersät,
kleine
Raffinerien verpesteten die Luft und überall ertönte
das
Geschrei der Grundstücksmakler, die nach einfältigen
Opfern suchten;
auch
hatte das Land bereits seine erste schwere Bohrkatastrophe
erlebt.
Einem
Jungen Schwachkopf namens John Washington Steele sollte es
vorbehalten bleiben,
unter
dem Namen Oil-Johnny
als
erster Petroleum-Millionär
Berühmtheit zu erlangen.
Die
Geschäftsleute in Cleveland
müssen den Rat des jungen Rockefeiler
damals
wohl beherzigt haben.
Keiner
von ihnen hat in die Petroleumerzeugunp
selber Geld hineingesteckt;
dagegen
begannen sie
bald
mit
dem Bau von Raffinerien.
Nach
kaum zwei Jahren
schwammen
die Raffinerieabfälle bereits mitten durch die Stadt den
Cuyahoga hinab,
und
ihr Gestank beglückte die Einwohner von Cleveland
bei Tag und bei Nacht.
Eine
dieser kleinen Anlagen gehörte einem gewissen Samuel
Andrews.
Dieser
Mann hatte einen ausgezeichneten Maschinenverstand,
besaß
aber kaum Barmittel.
Er
klagte dem jungen Rockefeller
sein Leid und sagte,
wenn
er nur ein klein wenig kapitalkräftiger wäre,
so
könnte er aus seiner Petroleum-Raffinerie
ein Riesen unternehmen machen.
Rockefeller
besprach sich mit seinem Teilhaber Clark
und
stellte Andrews „ein paar tausend Dollar" zur
Verfügung.
Im
Jahre 1864
heiratete
Rockefeller
ein Mädchen aus Massachusetts namens Cetty Spelman.
Anschließend
tauschte
er seinen Anteil an der Produktenhandlung gegen Clarks
Anteil an der Raffinerie aus,
und
nun stürzte er sich gemeinsam mit Sam Andrews voller
Energie auf das Petroleum.
Rockefeller
hatte bereits einen doppelten Vorsprung vor seinen Konkurrenten:
er
selber besaß ein beachtenswertes Bankkonto,
und
sein Teilhaber Andrews hatte technische Methoden entwickelt,
die
der Konkurrenz in allen Fragen der Petroleumraffinerie
weit voraus waren.
In
diesem Augenblick erschien Henry Morrison Flagler auf der
Bildfläche.
Er
war der erste aus jener Phalanx von erstaunlichen
Persönlichkeiten,
die
John Rockefeiler nach und nach für sich einspannen sollte.
Flagler
war im Jahre
1830
in
der Nähe von Rochester im Staate New
York
geboren,
ein verwegener, furchtloser Geist, der, wie viele sagten,
keineSkrupel
kannte.
Er
hatte eine Nichte von StephenV. Harkness,
dem
Whiskykönig von Ohio, geheiratet,
der
an der Erhöhung der Bundessteuer auf Spirituosen
über
Nacht ein Vermögen verdient hatte.
Solch
einen Coup wollte Flagler auch gerne machen,
nur
hatte er es dabei ein wenig zu eilig
und
verlor zunächst mit Salzgeschäften Kopf und Kragen.
So
mußte er zu seiner Frau nach Ohio zurückkehren,
und
weil er nichts anderes zu tun hatte, verkaufte er dort
für
John Rockefellers
Produktenhandlung Getreide.
Da
machte Rockefeller
Flagler plötzlich den Vorschlag,
den
Onkel doch zur Beteiligung an der neuen Petroleum-Raffinerie
zu bewegen.
Der
alte Harkness ging darauf ein,
und
es wurde die
Firma
Rockefeller,
Andrews&
Flagler gegründet.
Mit
dem neuen Kapital und,
wie
einer von Rockefellers
Biographen besonders hervorhebt,
im
Verein mit dem dynamischen und phantasiereichen Flagler,
setzte
der neue Petroleum-Konzern
„zu einer Entwicklung an,
in
deren Verlauf sämtliche Mitarbeiter und Geschäftsfreunde
ungeheure
Vermögen verdienen sollten".
So
ganz nebenher
hat
der Koloß dann auch noch ein neues Zeitalter
heraufbeschworen.
Als
weiteren Mitarbeiter
brachte
Rockefeiler seinen jüngeren Bruder William in den Konzern
und
eröffnete mit ihm zusammen eine neue Raffinerie unter der
Firma
William
Rockefeller
& Company.
Das
Werk befand sich zwar in Cleveland,
William
selbst aber ging als Vertriebsleiter
nach
New
York,
wo
er dann bis zum Ende seines Lebens geblieben ist
und
dem Unternehmen, aus dem
bald
die
Standard
Oil wurde,
ruhmvoll
gedient hat.
William
war seinem Bruder nicht sehr ähnlich.
Wer
„Doctor" Rockefeller
noch erlebt hatte,
wird
ihn in diesem jüngeren Sohn wiedererkannt haben.
William
war freundlich, lebenslustig, allerdings durchaus nicht fromm;
alle
mochten ihn aber gern, kurz, er paßte in die Welt.
Dabei
besaß er einen höllisch
scharfen Verstand und es schadete nichts,
wenn
man im Umgang mit ihm ein bißchen auf der Hut blieb.
John
aber war es,
der
den großen Plan erträumte.
Bescheiden
war er nicht gerade, dieser Traum;
es
handelte sich nicht um solche Kleinigkeiten wie die
Beherrschung
der New
Yorker Eisenbahnen,
womit
ein Vanderbilt sich begnügt hatte.
Rockefeller
wollte eine gesamte Industrie monopolisieren,
mit
allen Nebenbetrieben,
und
das Monopol sollte
nicht
nur Amerika,
es
sollte die ganze Welt umspannen.
Schon
1869
mag
Rockefeller
diesen
Plan konzipiert haben,
denn
bereits damals
unternahm
er die ersten Schritte,
um
die Raffinerien im Gebiet von Cleveland
zu monopolisieren;
Cleveland
war damals das Zentrum der Öl-Raffinerie
in den Vereinigten Staaten.
Um
sein Ziel zu erreichen,
forderte
Rockefeller
zunächst von der Lake Shore-Eisen bahngesellschaft,
die
das Rohöl
von den Ölfeldem
nach Cleveland
beförderte,
einen
heimlichen Rabatt in der fünfzehnfachen Höhe dessen,
was
den anderen kleineren Raffinerien offiziell zugebilligt wurde.
Rabatte
waren eine Art Bonus,
den
die Eisenbahnen den Firmen mit besonders großem
Güterumschlag gewährten.
Rockefeller
bekam, was er wollte.
In
kürzester Frist
waren
Clevelands
dreißig Raffinerien
auf
zehn zusammengeschmolzen,
die
anderen hatten eine von zwei Möglichkeiten gewählt:
entweder
sich der Rockefellergruppe
anzuschließen oder zuzumachen.
Am
10.Januar
1870
gründeten
Rockefeller
und seine Teilhaber die Standard
Oil Company of Ohio
mit
einem Aktienkapital von einer Million Dollar.
Innerhalb
der neuen Gesellschaft war Flagler die treibende Kraft.
William,
der
Mann mit dem großen Charme,
machte
den Außenminister,
nur
bedeutete er in Wirklichkeit sehr viel mehr, als in dieser
Bezeichnung liegt.
Über
dem Ganzen aber schwebte das Gehirn:
John
D. Rockefeller.
Nun
wurden auch die großen Raffinerien der übrigen
Gebiete
entweder
gezwungen,
sich
der Standard
Oil anzuschließen,
oder
sie wurden eliminiert.
Was
die Eisenbahnen betraf,
so
hatten sie die Standard Oil
und
ihre Bundesgenossen
allen
anderen Firmen gegenüber zu bevorzugen;
den
Transport von Rohöl
zum Export hatten sie überhaupt abzulehnen,
denn
die Standard
Oil gedachte die Ölraffinierung
gleich für die ganze Welt
bei
sich zu konzentrieren.
Und
dann waren da noch diese wilden Gesellen auf den Olfeldem
selbst:
sie
hatten überhaupt keinen Sinn für Ordnung
und
noch viel weniger für die furchtbaren Gefahren der freien
Konkurrenz.
Man
mußte sie erziehen,
notfalls
mit Strenge;
denn
diese ölproduzenten
waren dickfellige Bauern,
die
sehr wenig fortschrittlich dachten.
Als
die Standard
Oil
1870
gegründet
wurde,
galt
John Rockefeller
in Cleveland
höchstens als recht erfolgreicher Geschäftsmann;
um
Politik oder um staatsbürgerliche Dinge kümmerte er
sich nicht.
Seine
Frau besaß nicht den geringsten gesellschaftlichen
Ehrgeiz,
er
selbst gehörte keinem Club an.
Damals
schon
wie
auch in späteren Jahren
hat
Rockefeller
seine Teilhaber immer und immer wieder davor gewarnt,
großspurig
aufzutreten;
es
war nicht nötig,
daß
man die Menschen
auf
seine geschäftlichen Erfolge auch noch aufmerksam machte.
Der
umfassende Plan,
den
das Gehirn der Standard
Oil erdacht hatte,
bewegte
sich mit tödlicher Sicherheit
auf
seine Vollendung zu.
Eine
nach der anderen wanderten
die
größten und leistungsfähigsten
Raffinerien
von
Cleveland,
Pittsburgh,
New
York und
Philadelphia
in den
Verband
der Standard Oil.
Es
war nämlich soeben etwas am Horizont aufgetaucht,
das
die Direktoren und Geschäftsführer dieser Raffinerien
bewog,
sich
schleunigst und ehe es zu spät sein würde,
an
Rockefeller
anzuschließen.
Was
ihnen da bange machte,
war
eine Firma mit dem harmlosen Namen
South
Improvement Company,
eine
Erfindung Henry Flaglers.
Flagler
erzwang für diese neue Firma
von
der Erie-, der Pennsylvania- und der New
York Central-Bahn Verträge,
auf
Grund deren diese Bahnen nicht nur Rockefeller,
sondern
auch den unabhängigen,
also
nicht zur Standard
Oil gehörenden Gesellschaften
Rabatte
auf alle Öltransporte
gewähren mußten.
Außerdem
verpflichteten
sich
die
Eisenbahnen aber noch,
der
Standard
Oil Durchschläge aller Frachtbriefe der
unabhängigen Gesellschaften
zuzuleiten,
wodurch
die Rockefeller-Gruppe
Preise,
Rabatte,
ja
sogar die Namen der Kunden ihrer Konkurrenz erfuhr.
Diese
South Improvement Company
stellte
wohl die unverschämteste Erpressung dar,
die
sich jemals ein Mensch ausgedacht hat;
und
dabei stand die Firma völlig
auf dem Boden des Gesetzes.
Als
die Presse dem Lande dann aber klarmachte,
was
der eigentliche Zweck dieser South Improvement Company sei,
erhob
sich ein lautes Entrüstungsgeschrei.
Die
Ölproduzenten
organisierten sofort einen ersten Abwehrverband,
dem
viele weitere folgen sollten;
sie
lehnten die Rohöllieferung
an Rockefeiler ab,
sie
weigerten sich sogar,
ihr
Öl
durch die beteiligten Eisenbahngesellschaften
transportieren
zu lassen,
und
legten lieber Rohrleitungen zu den unabhängigen Raffinerien
in den Verarbeitungszentren.
In
Titusville knüpfte man feierlich eine Strohpuppe als John
Rockefeller
auf
und
verbrannte sie anschließend.
Im
Kongreß wurde eiligst eine Untersuchungskommission
zusammengerufen:
sie
bezeichnete Rockefellers
sogenannten Versuch,
Ordnung
in das Petroleumgeschäft
zu bringen,
als
ein Komplott,
das
an Gefährlichkeit alles übersteige,
was
dem Lande jemals zugemutet worden sei.
Und
das Staatsparlament von Pennsylvanien
widerrief
die Genehmigung der South Improveroent Company.
John
Rockefeller
konnte
diese fürchterliche Aufregung einfach nicht verstehen;
er
hatte doch gar nichts weiter im Sinn gehabt
als
innerhalb der Ölindustrie
die Konkurrenz zu beseitigen,
damit
rationeller gearbeitet werden konnte.
Aber
- es gab ja schließlich auch noch andere Methoden.
Der
geschickteste Gegenspieler,
den
Rockefeller
jetzt noch auf den Petroleumfeldern
hatte,
war
wohl ein gewisser John D. Archbold,
der
aus Ohio stammte und in seiner Heimat
als
rabiater Standard-Oil-Gegner bekannt geworden war.
Um
ein Gegengewicht gegen das Standard-Oil-Monstrum zu schaffen,
bemühte
sich Archbold eifrig,
die
etwa zwanzig unabhängigen Raffinerien,
die
es in den Produktionsgebieten noch gab,
zu
pachten + es gelang ihm,
sie
in der Acme Oil Company zusammenzufassen.
Die
Produzenten waren begeistert.
Die
Druckerschwärze auf den Aktien der Acme war aber noch nicht
trocken,
da
kam bereits heraus,
daß
die Acme nichts anderes war
als
eine neue Tochtergesellschaft der Standard Oil.
Archbold
hatte seine unabhängigen Unternehmer beschwindelt und
verraten.
Er
machte sich nicht das geringste aus den Verwünschungen der
Produzenten,
sondern
ließ sich eiskalt erst zum Mitdirektor der Standard
Oil
und
dann zum Generaldirekter der Standard
Oil of New Jersey ernennen.
Man
hat diesen Erzintriganten oft den „Mephistopheles"
der Standard
Oil genannt;
einer
seiner Biographen hat das viel unschuldiger ausgedrückt:
„Archbold",
schreibt er,
„war
unter den Direktoren derjenige,
der
die wenigsten Hemmungen hatte,
wenn
es hieß,
Regierungsbeamten
näherzutreten
und
sich mit ihnen zu verständigen."
Auf
jeden Fall war Archbold ein ungewöhnlich brauchbarer Mann.
John
Dustin Archbold war klein und hatte einen zu großen Kopf.
Er
behauptete immer, er sei frommer Baptist,
und
er sah einem Prediger auch nicht ganz unähnlich.
Seine
große Leidenschaft war Poker.
Sonst
befand er sich von früh bis spät auf dem Kriegspfad,
und
einerlei mit welchem Gegner er es gerade zu tun hatte,
für
ihn waren sie alle Erpresser, Gauner und Halunken.
In
Flagler und Archbold standen John Rockefeller
jetzt
zwei
außergewöhnlich befähigte Mitarbeiter zur
Verfügung.
Zwei
weitere, nämlich Henry H. Rogers und Charles Pratt,
kamen
wenig
später
dazu,
und zwar dadurch,
daß
Rockefeller
-diesmal
auf dem Wege freundlicher Überredung-
die
in Brooklyn gelegene große Raffinerie der beiden in die
Standard
Oil hereinholte.
Diese
Anlage erzeugte unter der Marke „Pratt's Astral Oil"
das
beste Lampen-Petroleum
in den Vereinigten Staaten,
ein
besonders hervorragendes Produkt,
und
war daher eine willkommene Ergänzung
der
eigenen Erzeugnisse der Standard Oil.
Dennoch
war das Produkt selbst für die Standard
Oil nicht entfernt so wertvoll
wie
diese beiden Männer,
die
dem Konzern als Direktoren beitraten.
Pratt
stammte aus Watertown in Massachusetts, wo er
1830
geboren
war + befaßte sich schon
seit
1849
mit
Olgeschäften.
Vor
kurzem
hatte
er zusammen mit Rogers
die
Raffinerie in Brooklyn aufgebaut,
mit
deren Leistungsfähigkeit es auch die beste Anlage der
Standard
Oil
nicht
aufnehmen konnte.
Rogers,
Pratts Juniorteilhaber,
war
zehn Jahre jünger als dieser
und
ebenfalls ein waschechter Yankee aus Massachusetts.
Seine
erste Geschäftstransaktion führte Rogers mit vierzehn
Jahren durch,
als
er noch Zeitungen verkaufte.
Eines
Morgens fiel sein Blick in einem der auswärtigen Blätter
auf die Notiz,
daß
ein Schiff mit fünfhundert Fässern Lebertran
untergegangen
sei;
diese
Ladung war für einen Händler am Ort bestimmt gewesen.
Anstatt
die Zeitung auszulegen,
lief
Rogers zu dem Lebertranmann hin,
zeigte
ihm die Nachricht und schlug ihm vor,
er
solle ihm den ganzen Packen abnehmen;
so
würde die Nachricht von dem Unglück vorläufig
noch nicht bekannt,
und
der Kaufmann hätte Zeit genug, alle vorhandenen Vorräte
an Lebertran
in
der dortigen Gegend aufzukaufen und zurückzuhalten.
Unter
diesem Gesichtspunkt, meinte der junge Rogers,
wären
seine Zeitungen, die ihn zusammen vielleicht fünfzig Cent
gekostet hatten,
gut
und gern zweihundert Dollar wert.
Der
Kaufmann ging auf Rogers Vorschlag ein
und
das Geschäft wurde abgeschlossen.
Rogers
war vom Typ jener flinken jungen Leute,
wie
John Rockefeller
sie gern in der Standard
Oil haben wollte.
Nicht
daß er Rogers besonders gern gemocht hätte
-
eher war das Gegenteil der Fall -,
aber
er konnte seine Fähigkeiten gut gebrauchen.
Rogers
war ein brutaler Charakter
und
auch in jeder anderen Hinsicht das Gegenteil von Rockefeller.
Außer
dem älteren Morgan
soll
niemand eine so unangenehme Art gehabt haben,
einen
Menschen anzublicken.
Befand
Rogers sich aber unter Freunden,
so
war er freundlich und warmherzig;
selbst
die Journalistin Ida Tarbell,
diese
mißgünstige alte Sudelköchin,
hatte
konziliante Worte für Rogers.
„Er
war ein Pirat",
schrieb
sie,
„aber
kein Heuchler;
er
setzte die schwarze Flagge für-Jeden sichtbar
und
machte kein Hehl aus seinen Methoden."
In
der Standard
Oil wurde Rogers Chef der Produktion;
es
stellte sich alsbald heraus,
daß
ihn hier eineAufgabe von gewaltigem Umfang erwartete.
Gleich
zu Beginn seiner neuen Tätigkeit
mußte
er der Standard
Oil
ihren
bisher größten und schwersten Kampf durchstehen
helfen,
nämlich
den massierten Angriff auf eine Petroleumraffinerie
mit eigenen Rohrleitungen,
die
unter dem Namen Empire Transportation Company
von
Tom Scott
verwaltet
wurde,
dem
äußerst fähigen und tatkräftigen
Generaldirektor
der
Pennsylvania-Eisenbahn.
Rockefeller
besuchte Scott
und
legte ihm höflich nahe,
von
seinen Extratouren doch lieber abzulassen.
Scott
weigerte sich.
Darauf
ging der junge Rogers zur Erie und zur New
York Central
und
gab ihren Direktoren zu verstehen,
daß
die Standard
Oil auf ihre unbedingte
Unterstützung
in einem Petroleumkrieg
rechne,
dessen
Ausbruch stündlich zu erwarten sei.
Die
Frachtsätze für alle Standard-Oil-Produkte,
so
führte Rogers näher aus,
würden
für die Dauer dieses Krieges radikal zu ermäßigen
sein.
Nachdem
dies geschehen war,
gab
die Standard
Oil überall dort,
wo
die EmpireLeute operierten,
neue
und niedrigere Preise für Kerosin bekannt;
die
Empire-Leute waren zu spät aufgestanden.
Wenige
Monate
dieses
Preiskrieges genügten,
um
Tom Scott und seinen Geschäftsfreunden ihren Elan gehörig
auszutreiben.
Tatsächlich
mußten sie ihr Kerosin bereits regelrecht verschenken.
Zum
Überfluß brachen gerade in diesem Augenblick
die
großen Eisenbahnstreiks von
1877
aus;
bei
der Pennsylvania-Bahn wütete die Anarchie.
Im
August - die Rauchwolken über den ausgebrannten
Lokomotiven,
Waggons,
Bahnhöfen und Schuppen der Pennsylvania-Bahn
hatten,
sich noch nicht wieder verzogen -
fuhr
Tom Scott nach Cleveland,
um
mit Rockefeller
Frieden zu schließen.
Rockefeller
wurde niemals hämisch und auch jetzt wurde er es nicht.
Er
versicherte Scott in herzlichen Worten,
es
gebe durchaus keinen Grund,
warum
sie nicht Frieden schließen sollten,
und
sogar auf einer sehr vernünftigen Basis.
Die
Standard
Oil werde
die
Rohrleitungen, die Raffinerien, Tanks, Tankwagen
und
alle sonstige Ausrüstung der Empire Transportation Company
übernehmen
und
ihr dafür bare 3,4 Millionen Dollar auszahlen.
Wie
Scott über diesen Preis gedacht haben mag,
darüber
schweigt die Chronik;
es
blieb ihm jasowieso nichts anderes übrig,
als
den Vorschlag anzunehmen.
Die
Rohrleitungen der Empire wurden
alsbald
den
United Pipe Lines einverleibt,
einer
Tochtergesellschaft der Standard Oil,
in
der
kurz
danach
noch
eine weitere unabhängige Gesellschaft aufging:
die
National Conduit Company.
Diese
war von einem Manne zu großem Erfolg geführt worden,
dessen
Namen man überall in den Staaten
an
Scheunen, Brückenbögen, Plakattafeln und Schutzhütten,
selbst
an Felswänden in der freien Natur lesen konnte:
Dr.
David Hostetter,
Erfinder
von Hostetters Bitteren Tropfen,
die
aber durchaus kein Nebenprodukt des Petroleums
waren.
Die
meisterliche Art,
wie
die Standard
Oil
die
Empire
und
die
National
Conduit
geschluckt
hatte,
half
den Entschlüssen noch mancher anderen unabhängigen
Konzerne nach,
vor
allem auch einigen großen Raffinerien in Maryland.
Sie
alle wurden nun fein säuberlich
in
einer neuen Firma zusammengefaßt,
der
Baltimore United Oil,
ebenfalls
einer Tochtergesellschaft der Standard Oil,
Die
wenigen jetzt noch übriggebliebenen Einzelgänger
unter
den Raffineriebesitzern im New
Yorker Stadtgebiet
baten
daraufhin nun auch,
der
„Rockefeller-Allianz"
beitreten
zu dürfen
-
wie der Konzern bald allgemein genannt wurde.
Das
war im Jahre
1878.
Rockefeller
war damals neununddreißig Jahre alt.
Seine
„Allianz" kontrollierte inzwischen fünfundneunzig
Prozent
der
gesamten Raffinerien und Rohrleitungen
in
den Vereinigten Staaten.
Daraufhin
ließsichRockefeller
einenSchnurrbart stehen,
einen
Schnurrbart mit rötlichem Schimmer,
und
er trug von nun an einen Zylinder;
sonst
machte sich kein Wandel in seinen Lebensgewohnheiten bemerkbar.
Auch
erweckte er nie den Eindruck,
als
hätte er in seinem lebhaften Interesse für alles,
was
die Standard
Oil Company betraf,
im
geringsten nachgelassen.
Die
folgende Geschichte mit den Spundzapfen
zeigt
das deutlich.
Als
Rockefeller
eines Tages
die
monatlichen Verbrauchsaufstellungen seiner Raffinerien durchsah,
stieß
er auf eine Unstimmigkeit.
Sofort
schrieb er an den betreffenden Betriebsführer einen Brief.
„Im
letzten Monat", so hieß es darin, »haben Sie
1119 Spundzapfen aufgeführt;
zehntausend
Stück wurden Ihnen zu Beginn des Monats geliefert;
verbraucht
haben Sie in diesem Monat 9527 Stück;
Sie
melden einen Bestand von 1 102, wo sind die anderen 490 Stück
geblieben?"
Jeder
Spundzapfen kostete immerhin den Bruchteil eines Cent,
und
im Haushalt der Standard
Oil war auch der Bruchteil eines Cent etwas,
dem
man liebevolle Beachtung schenkte.
Bis
zu diesem Zeitpunkt
hatten
John Rockefeller
und seine Paladine
ihre
Wunder ohne nennenswerte Belästigung
seitens
der Bundesregierung
wirken
können.
Gewiß
hatten auch vorher schon
in
einigen Staaten des Westens die „Grangers"
-eine
geheime Farmerorganisation -
Gesetze
zur Kontrolle der Eisenbahntarife verlangt.
Verschiedentlich
waren von den Staaten tatsächlich dann
solche
Gesetze erlassen worden,
nur
stellte sich fast immer sehr bald heraus,
daß
ihnen wenig Einfluß beschieden war.
Mit
Ausnahme der Eisenbahnen
tat
die gesamte Industrie
damals
immer
noch,
was
sie wollte.
Erst
die Streiks des Jahres
1877
hatten
diese Lage von Grund auf verändert,
und
die Einstellung der Regierung
begann
sich zu wandeln.
Im
Kongreß erhob sich plötzlich ein Abgeordneter von
Pittsburgh
und
brachte
einen Gesetzentwurf ein,
der
allerlei Fragen des Handels regeln,
vor
allem aber den Unfug der unterschiedlichen Frachtsätze bei
den Eisenbahnen
verbieten
sollte.
Das
Gesetz wurde beraten
-
allerdings erst nachdem der zuständige Ausschuß
in
seiner Zusammensetzung
eine
kleine Veränderung durchgemacht hatte,
indem
ihm als Vorsitzender
der
Abgeordnete Hereford von West-Virginia beigesellt wurde,
dessen
vertraulicher Ratgeber
in
allen gesetzgeberischen Angelegenheiten
ein
gewisser Mr. Camden war.
Camden
aber war der Präsident der Camden Oil Company,
und
diese wiederum gehörte
-
worauf leider zu spät geachtet wurde -
Rockefeller
und seinen Leuten.
Der
neue Gesetzentwurf ging denn auch nicht an den Senat weiter,
sondern
verschwand in irgendeinem der vielen Aktenregale des Hauses.
Aber
die Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten,
und
ehe noch ein Jahr verging,
wurde
ein neuer Gesetzentwurf,
diesmal
wegen der Petroleumleitungen,
im
Kongreß eingebracht.
Im
Senat jedoch wurde er prompt wieder abgetötet,
denn
dort
-
die Öffentlichkeit erfuhr auch dieses Mal viel zu spät
davon -
erfreute
sich John D. Archbold
eines
beträchtlichen Einflusses,
und
wer Archbold war,
das
wissen wir.
Auf
den Petroleumfeldem
wuchs
die Verzweiflung.
Die
Standard
Oil kontrollierte die Rohrleitungen;
die
Standard
Oil setzte die Rohölpreise
fest.
Immer
und immer wieder versuchten die Produzenten sich zu
organisieren,
jedesmal
aber schlugen ihre Versuche fehl.
Sie
waren, wie einer aus ihren Reihen sich ausdrückte,
„eine
feige, disziplinlose Horde".
Auch
gab es zu viele gewissenlose Elemente unter ihnen,
denen
es nur darum ging,
möglichst
schnell reich zu werden.
Jetzt,
im Jahre
1878,
machten
die angestammten Produzenten
noch
einmal eine letzte Anstrengung,
es
war zugleich ihre grimmigste.
Mit
einer Massenversammlung fing es an;
gegen
etwaige Spione der Standard
Oil
hatte
man Posten an den Türen aufgestellt.
Die
Redner nannten die Versammlung das „Petroleum-Parlament",
und
die gefährlichsten Demagogen,
die
die Ölmänner
auftreiben konnten,
ließen
ihrer Beredsamkeit freien Lauf.
Nachdem
sie der riesigen Versammlung genügend eingeheizt
und
die Standard
Oil nebst John D. Rockefeller
persönlich
gebührend
verrissen hatten,
kam
die Versammlung endlich zur Sache.
Unter
dröhnendem Beifall wurde beschlossen,
gemeinsam
eine eigene Rohrleitung zur Küste zu legen.
Im
Parlament von Pennsylvanien
wurde ein Gesetzentwurf eingebracht,
der
das Wegerecht für die geplante Rohrleitung bewilligen
sollte.
Während
John Archbold von der Standard
Oil
den
Gesetzgebern gelassen,
wenn
auch nicht etwa untätig, zusah,
erklärten
Standard
Oil und United Pipe Lines,
es
könne kein weiteres Rohöl
mehr auf Lager genommen werden,
die
Tanks seien überfüllt.
Darauf
brach Panik unter den Produzenten aus,
das
Rohöl
strömte weiter aus ihren Bohrlöchern,
und
andere Behälter als die Tanks der United gab es nicht.
In
Bradford sammelten sich große Menschenmassen an,
sie
belagerten das Verwaltungsgebäude der United Pipe Lines,
sie
krakeelten und drohten mit Gewalt.
Die
Standard
Oil Company,
John
D. Rockefeller
und
noch einige andere Persönlichkeiten
wurden
daraufhin unter Anklage gestellt.
Diese
Anklage lautete auf verbrecherische Versuche,
die
Ölindustrie
zu monopolisieren,
unabhängige
Raffineriebesitzer zu erpressen,
das
Transportwesen im Allegheny-Tal zu schädigen,
von
den Eisenbahnen untragbare Frachtsätze zu erpressen
und
endlich durch unlautere Mittel
die
Preise des Roh- und des gereinigten Öls
unter eigene Kontrolle zu bringen.
Mehrere
Teilhaber Rockefellers
innerhalb von Pennsylvanien
wurden verhaftet.
Rockefeiler
selber befand sich zu dieser Zeit in New
York;
er
verzichtete darauf,
sich
dem Gericht zu stellen.
Indessen
setzte es die Standard
Oil mit den üblichen Mitteln durch,
daß
die Verhandlungen vertagt
und
die Verhafteten gegen Kaution freigelassen wurden.
John
Rockefeiler bat dann den Anwalt der empörten Produzenten,
die
sich immer noch „Petroleum-Parlament"
nannten,
zu
sich und schlug eine Einigung vor.
Die
Standard
Oil würde auf die meisten Wünsche
seiner Mandanten eingehen,
sie
würde sich auch bereitfinden,
alles
ihr angelieferte Öl
zu lagern
-
wenngleich Rockefeiler hier gewisse Vorbehalte machte.
Hinsichtlich
der Eisenbahntarife schlug Rockefeller
in sanften Tönen vor,
daß
allen Firmen, die die gleiche Quantität befördern
ließen,
auch
die gleichen Frachtsätze zugebilligt werden sollten.
Praktisch
bedeutete dies,
daß
die Standard Oil,
die
den weitaus größten Versand hatte,
weiterhin
die niedrigen Sätze zahlen würde.
Wenn
die Herren vom Petroleum-Parlament
auch nicht recht sehen konnten,
wo
die Zugeständnisse der Standard
Oil eigentlich lagen,
so
nahmen sie deren Bedingungen schließlich,
obschon
widerwillig,
an
oder zogen ihre Anklage zurück.
Rockefeller
konnte seine Aufmerksamkeit nunmehr einer
neuen
Gefahr zuwenden,
die
von der jungen Tidewater Pipe Line Company her drohte,
einem
wohlfundierten, bedeutenden Unternehmen,
das
Rohrleitungen über die Allegheny-Berge bis nach
Willianisport hin gelegt hatte
-
für damalige Zeiten eine außergewöhnliche
technische Leistung.
Die
1879
vollendete
Leitung funktionierte ausgezeichnet;
Rockefellers
eigene Kundschafter bezeugten dies
und
sandten begeisterte Berichte.
So
etwas nötigte Rockefeller
immer Achtung ab
-
während seines ganzen langen Lebens
soll
er nie ein wirklich erfolgreiches Unternehmen lahmgelegt haben.
Ohne
Zögern erklärte er sich also bereit,
Tidewater
zehntausend Barrel Öl
pro Tag zu liefern.
Aber
sein Angebot wurde abgelehnt;
schließlich
war die Tidewater-Gesellschaft ja
gerade
zu dem Zweck gegründet worden,
den
unabhängigen Raffineriebesitzem Mut zu machen.
Rockefeller
nahm die Ablehnung freundlich hin:
hatte
die Tidewater
nicht
das gute Recht, nein zu sagen ?
Nicht
lange danach
beantragte
ein Aktionär der Tidewater Pipe Line Company plötzlich
bei Gericht,
über
das Vermögen der Gesellschaft
die
Zwangsverwaltung anzuordnen,
mit
der Begründung,
in
der Verwaltung herrsche grobe Mißwirtschaft.
Die
Ermittlungen ergaben keinerlei Anhaltspunkte für diese
Behauptung;
dagegen
wurde bekannt,
daß
die 7 500 Dollar, mit denen dieser besorgte Aktionär seine
Anteile erworben hatte,
von
der Standard
Oil stammten;
die
Anordnung der Zwangsverwaltung wurde abgelehnt.
Wenig
später verhandelten die Direktoren der Tidewater
mit
einer New
Yorker Bank
über
einen Kredit von zwei Millionen Dollar.
Beinahe
gleichzeitig hielt eine große Gruppe von
TidewaterAktionären
eine
Generalversammlung ab,
entließ
die Direktion und wählte eine neue aus ihren eigenen
Reihen,
Die
Tidewater brauchte das Geld dringend
und
schloß jetzt nur zu gerne mit der Standard
Oil einen Vertrag,
der
das Ölleitungsgeschäft
in ihrem Territorium aufteilte.
Das
Ergebnis ist interessant,
weil
es erkennen läßt,
wer
fortab in der Tidewater zu bestimmen hatte:
11,5%
der Kapazität verblieben der Tidewater selber,
die
anderen
88,5
% erwarb die Standard Oil.
Im
Jahre 1881
wurde
das Abkommen unterzeichnet.
Rockefeiler
hatte
kurz
zuvor
seinen
zweiundvierzigsten Geburtstag gefeiert.
Innerhalb
von elf Jahren
hatte
sich die Standard
Oil
aus
zwei Raffinerien in Cleveland
zum
bedeutendsten Öl-Unternehmen
im ganzen Lande entwickelt.
Hinter
ihr lagen ruinierte Existenzen
und
verlassene Fabrikanlagen,
vor
ihr die unbestrittene Macht
über
Reichtumsquellen von gigantischen Ausmaßen.
Und
doch war dieser ganze Aufstieg so lautlos -
fast
kann man sagen:
mit
solcher Heimlichkeit
-
vor sich gegangen, daß
außer
den unmittelbar Beteiligten kaum jemand eine Ahnung davon hatte,
welch
ein Monstrum aus der Standard
Oil geworden war.
Nur
Rockefeller
selbst zeigte sich mit der
damaligen
Gestalt der Standard
Oil noch nicht zufrieden.
Auch
dachte er,
sie
könne viel wirksamer von der großen Geldzentrale aus
geleitet werden;
er
zog deshalb mit seiner Familie nach New
York in die 54th Street Nr. 4.
Sein
Haus war recht bescheiden ;
mit
den fürstlichen Palästen der Fifth Avenue hielt es
einen Vergleich nicht aus.
Vorläufig
war Rockefeiler noch ein verhältnismäßig
unbekannter Mann,
verglichen
etwa mit Persönlichkeiten wie
Astor
oder
Vanderbilt-
William
Vanderbilt jedoch,
der
Sohn und Erbe des Commodore,
kannte
den jungen Rockefeller
und
seine Teilhaber bereits genau.
„Höchst
smarte Leute"nannte er sie,
und
als man einmal von ihm wissen wollte,
warum
er der Standard
Oil so hohe Rabatte gewährte, sagte er:
„Ich
glaube, wenn Sie mit den Leuten zu tun hätten,
wüßten
Sie das selber bald."
Damals
hauste das Büro der Standard
Oil in einem bescheidenen Gebäude
in
der Pearl Street.
Der
Aufsichtsrat trat täglich zusammen,
ausnahmslos
hinter verschlossenen Türen,
die
zudem noch bewacht wurden.
Dort
zauberte Rockefeller
eines Tages einen Plan hervor,
der
der Standard
Oil eine noch glänzendere Position geben
sollte als bisher;
was
ihm vorschwebte,
war
der erste amerikanische Trust.
Wir
werden erst später auf diesen Standard
Oil Trust zu sprechen kommen,
vorher
müssen wir noch die Erfolge einiger anderer Männer
schildern.
Sie
haben sich auf den verschiedensten Gebieten betätigt,
oftmals
in den entferntesten Teilen des Landes;
auf
das Leben in den Vereinigten
Staaten aber
war
ihr Einfluß größer als der aller Präsidenten,
Senatoren,
Generäle und Politiker zusammen.
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