00.000.1839 - 00.000.1937 ROCKEFELLER I , John Davison "Das läßt sich nicht mischen, John, das läßt sich nicht mischen !" Karikatur von Ireland aus dem Columbas 'Dispatch' Wohl der bedeutendste unter den amerikanischen Wirtschaftscäsaren, derjenige jedenfalls, den man am beharrlichsten mit Schmähungen überhäuft hat, war John Davison Rockefeller, der im Jahre 1839 in dem Dörfchen Richford, im Staate New York, geboren wurde. Gottes Gnade hat ihm volle achtundneunzig Lebensjahre beschieden und ihn dazu mit außergewöhnlichen Geisteskräften gesegnet. Er hatte nur einen einzigen Fehler: es wollte ihm ganz und gar nicht in den Sinn, daß man der Allgemeinheit gelegentlich auch etwas Rücksicht schulde. Die vielköpfige Familie William und Eliza Rockefeller war nicht immer auf Rosen gebettet. Des Vaters recht mysteriöser Beruf hielt ihn oft viele Monate hintereinander von Hause fern; dann mußte man die Miete schuldig bleiben und die Speisekammer war leer. Plötzlich erschien der Ernährer wieder von irgendwoher auf der Bildfläche, die Miete wurde bezahlt, es gab reichlich zu essen und den Kindern wurden neue Kleider gekauft. Aber immer seltener kam der Vater nach Hause. Und dann blieb er auf einmal ganz weg. Über William Rockefellers Beruf wurde beim Dorfkrämer viel herumgeraten. Was tat er denn überhaupt? Aus Mrs. Rockefeller bekam man nichts heraus, und die Kinder hatten einfach keine Ahnung. Vater Rockefeller war eine große, schöne, strahlende Erscheinung. Man hielt ihn im allgemeinen für einen ziemlichen Filou, und vielleicht waren die neugierigen Einwohner von Richford deshalb nicht weiter überrascht, als ihnen jemand von einem Plakat erzählte, das er in einem Hotel in Ohio gesehen haben wollte. Auf ihm gab ein Dr. William Rockefeller bekannt, daß er alle schweren Krankheiten heile und in Kürze am Ort kostenlose Sprechstunden abhalten werde. Selbst nach den mehr als großzügigen Maßstäben der damaligen Zeit war William Rockefeller nichts weiter als ein Quacksalber. Aber der Doktortitel wurde nach Belieben geführt, und Hunderte solcher Wander„Doktoren" durchstreiften ungehindert das Land und zogen den Leuten das Geld aus der Tasche. Auch der alte Rockefeller muß seine fetten Jahre gekannt haben, denn 1858 borgte er seinem Sohne John ohne viele Umstände tausend Dollar zu zehn Prozent und stellte ihm den Betrag sogar für seinen einundzwanzigsten Geburtstag als Geschenk in Aussicht, sofern die Zinsen bis dahin pünklich bezahlt werden würden. Mit diesen tausend Dollar beteiligte sich der damals achtzehnjährige John in Cleveland an der Gründung einer Produktenhandlung unter der Firma Clark & Rockefeller. Zwei Jahre vorher war er in die Stadt gezogen und hatte für ein Wochengehalt von dreieinhalb Dollar in einer Firma dieser Branche gearbeitet; gleichzeitig hatte er die Handelsschule besucht. Es ist interessant, daß der junge Mann schon damals von seinem Gehalt Monat für Monat $ 1,80 für religiöse Zwecke, nämlich für die baptistische Sonntagsschule, die New-Yorker Stadtmission und ein frommes Blättchen abzweigte. Er mußte Winter und Sommer den gleichen schäbigen Anzug tragen, hat diese Zuwendungen aber kein einziges Mal gestrichen. Der jungen Firma Clark & Rockefeller ging es von Anfang an ausgezeichnet. Schon am Ende des ersten Geschäftsjahres wiesen die Bücher einen Umsatz von nahezu einer halben Million Dollar auf. Rockefeller war zu bescheiden, als daß er sich damals oder später seiner Leistungen gerühmt hätte. Trotzdem wird es den Führern der Geschäftswelt Clevelands nicht lange verborgen geblieben sein, daß sie in diesem schlanken, höflichen und frommen jungen Mann, der sich still seinen Geschäften widmete, eine außergewöhnliche Persönlichkeit vor sich hatten. Ihn traf jedenfalls die Wahl, als sie im Frühling 1860 jemanden nach Pennsylvanien zu den neuen Petroleumfeldern zu schicken beschlossen, der sich an Ort und Stelle ein Urteil über die dortigen Investitionsmöglichkeiten verschaffen sollte. Von weitem hatte man nämlich den Eindruck, daß dort eine Massenpsychose umging, wie sie seit den Tagen von Neunundvierzig nicht mehr geherrscht hatte. Rockefeller war damals zwanzig. Nach seiner Rückkehr riet er seinen Auftraggebern, von dem turbulenten Geschäft der eigentlichen Gewinnung des Petroleums lieber die Finger zu lassen. Bei der Raffinerie sei schon eher Geld zu verdienen, wenn auch ebenfalls nicht ohne Risiko. Unter allen Umständen aber solle man die ganze Sache im Auge behalten. Der erste Anstoß zu dem Rummel, dem der junge Rockefeller auf den Grund gehen sollte, war von mehreren Männern ausgegangen, die, ganz unabhängig voneinander, auf dieses neue Tätigkeitsfeld verschlagen worden waren. Es handelte sich dabei um die Verwertung einer Substanz, die man Steinöl, Senecaöl oder auch Petroleum nannte. Schon seit mindestens zwei Generationen war ein Nebenfluß des Allegheny in Pennsylvanien unter dem Namen Oil Creek bekannt gewesen. Die Farmer der Gegend pflegten auf seiner Oberfläche eine ölige Masse abzuschöpfen, mit der sie ihre Wagenräder schmierten. Auch waren Quacksalber gekommen und hatten das „Öl" in Flaschen abgefüllt; sie beklebten diese mit pompösen Etiketten und verkauften das Zeug im ganzen Osten der Vereinigten Staaten als AIlerwelts-Heilmittel. Einer von diesen Ouacksalbern war ein zweiter Barnum; er nannte sich „Doc" Samuel M. Kier und pries sein schönes Produkt mit Plakaten an, die von weitem wie Vierhundert-Dollar-Banknoten aussahen. Kam man näher heran, so war Bank das englische Wort für Flußufer und bezog sich auf den Allegheny, während die Zahl Vierhundert die vierhundert Fuß unter dem Erdboden bezeichnete, von woher das magische Öl mit Hilfe von Bohrtürmen an die Oberfläche gepumpt wurde. Außerdem befanden sich auf dem Plakat noch Bohrtürme, ein wohlwollend dreinschauender Indianerkopf, Columbia in Person und das Wappen der USA. Obgleich das Petroleum ursprünglich nur ein Nebenprodukt eines ihm gehörigen Salzwerkes war, machte Kier es bald zu seinem wichtigsten Erzeugnis; er stellte fünfzig mit Rot und Gold bemalte Fahrzeuge ein, auf deren Seitenflächen sich das Bild des guten Samariters befand, der gerade damit beschäftigt war, unter einem Palmenbaum einen Kranken zu behandeln. In Pittsburgh richtete Doc Kier außerdem einen Destillationsbetrieb ein - die erste Petroleumraffinerie ib den Vereinigten Staaten . Hier gelang es ihm, ein weinfarbenes Destillat zu erzeugen, dem er den Namen Carbon Oil verlieh. Er erfand dazu eine Lampe, die man mit diesem Produkt speisen konnte und die ein ganz anständiges Licht spendete; nur stank sie so fürchterlich, daß der Verkauf des Öles und der Lampe fast im gleichen Augenblick wieder abbrach, in dem er angefangen hatte. Kier war ein tüchtiger Mann, er gab sich die größte Mühe, aber er war seiner Zeit zu weit voraus. Zehn Jahre mußten noch vergehen, bis es anderen Raffineriebesitzern - die lediglich in seine Fußstapfen traten - gelang, das Petroleum von seinem üblen Geruch zu befreien. Der Name „Petroleum" hatte sich inzwischen jedoch als Bezeichnung für das Produkt allgemein eingebürgert. Aber wir sind den Ereignissen vorausgeeilt. Gegen Ende der fünfziger Jahre zeigte Dr. Alpheus Crosby, Chemieprofessor am Dartmouth College, seinem ehemaligen Schüler George H. Bissell eine Flasche mit diesem Petroleum. Dr. Crosby hatte mit der Flüssigkeit herumanalysiert und war der Ansicht, „an dem Zeug müsse entschieden etwas dran sein". Die beiden Chemiker sprachen über die Verwertungsmöglichkeiten, und Bissell, ein Mann mit Phantasie und Unternehmungsgeist, fuhr spornstreichs ins Petroleumgebiet und pachtete ein Stück Land, auf dem sich solch eine Ölquelle befand. Dann sandte er eine Probe der Flüssigkeit an Benjamin Silliman jr. von der Yale-Universität. Silliman verwendete sieben Monate emsiger Arbeit auf die gründlichste Analyse, die je von dem Stoff gemacht worden ist. In seinem Bericht, der noch heute, nach hundert Jahren, zu den klassischen Arbeiten über das Petroleum gehört, stellte er fest, daß man es zu einem ausgezeichneten Leuchtöl raffinieren und außerdem noch weitere hochwertige Nebenprodukte daraus gewinnen könnte, wie zum Beispiel Paraffin und Naphtha. Bissell blieb nicht müßig. Er beauftragte einen Mann namens Edwin L. Drake mit der Errichtung des ersten Bohrturmes in der Geschichte des Petroleums. Drakes Vorbildung für diese Aufgabe bestand nur in einigen Jahren Billettknipsens bei der New-Haven-Eisenbahn; von Petroleum ,Grundstücken oder kaufmännischen Dingen wußte er herzlich wenig. Dafür hatte er sich aber mit allen seinen Ersparnissen - an die zweihundert Dollar - an Bissells Unternehmung beteiligt + nun war es nicht mehr als Bissells Pflicht, etwas für ihn zu tun. Also zog Drake nach Titusville in Pennsylvanien und herrlichem Ruhm entgegen. Nach Überwindung der unglaublichsten Schwierigkeiten bei der Errichtung der Bohrtürme wie auch beim Bohren selber glückte Drake an einem schönen- Augusttag des Jahres 1859 der erste Petroleumgeiser in der Geschichte Amerikas. Das Öl fing gleich mit fünfundzwanzig Barrel täglich an zu sprudeln. Auf einem alten Bild sieht man den bärtigen Drake wie einen Propheten mit verträumten Augen in die neue Zeit blinzeln, in das Zeitalter des Kerosins, die Vorstufe unseres Benzin-Jahrhunderts. Daß Drake weder von der großen Zukunft des Petroleums etwas geahnt hat, noch sich bewußt war, welch große Umwälzung er mit der Erschließung dieser ersten Petroleumquelle eingeleitet hatte, wird ihm die Aureole des Propheten nicht rauben können. Drake hatte einen vollständig neuen Stoff erschlossen, der das Leben der gesamten Menschheit allmählich von Grund auf verwandeln sollte. Zunächst aber verwandelte das Petroleum erst einmal West-Pennsylvanien aus einer unentwickelten Hinterwäldlergegend in ein industrielles Dschungel voll fieberhafter Betriebsamkeit. Grauenhaft häßliche Städte mit Namen wie Qil City, Pithole, Petrolia oder Babylon entstanden an den schleimigen Bächen. Titusville wurde über Nacht zur Petroleum-Metropole mit einer Bevölkerung von zweiundzwanzigtausend emsigen Männern und Frauen. Die Eisenbahngesellschaften überboten sich gegenseitig in dem Bestreben, die Gegend durch den Schienenstrang zu erschließen; behelfsmäßige Straßen wurden in größter Eile von den neugebohrten Ölquellen zu den Bahnkörpern gebaut. Noch ehe der Bürgerkrieg zu Ende ging, war die einstige Wildnis West-Pennsylvaniens von Bohrtürmen übersät, kleine Raffinerien verpesteten die Luft und überall ertönte das Geschrei der Grundstücksmakler, die nach einfältigen Opfern suchten; auch hatte das Land bereits seine erste schwere Bohrkatastrophe erlebt. Einem Jungen Schwachkopf namens John Washington Steele sollte es vorbehalten bleiben, unter dem Namen Oil-Johnny als erster Petroleum-Millionär Berühmtheit zu erlangen. Die Geschäftsleute in Cleveland müssen den Rat des jungen Rockefeiler damals wohl beherzigt haben. Keiner von ihnen hat in die Petroleumerzeugunp selber Geld hineingesteckt; dagegen begannen sie bald mit dem Bau von Raffinerien. Nach kaum zwei Jahren schwammen die Raffinerieabfälle bereits mitten durch die Stadt den Cuyahoga hinab, und ihr Gestank beglückte die Einwohner von Cleveland bei Tag und bei Nacht. Eine dieser kleinen Anlagen gehörte einem gewissen Samuel Andrews. Dieser Mann hatte einen ausgezeichneten Maschinenverstand, besaß aber kaum Barmittel. Er klagte dem jungen Rockefeller sein Leid und sagte, wenn er nur ein klein wenig kapitalkräftiger wäre, so könnte er aus seiner Petroleum-Raffinerie ein Riesen unternehmen machen. Rockefeller besprach sich mit seinem Teilhaber Clark und stellte Andrews „ein paar tausend Dollar" zur Verfügung. Im Jahre 1864 heiratete Rockefeller ein Mädchen aus Massachusetts namens Cetty Spelman. Anschließend tauschte er seinen Anteil an der Produktenhandlung gegen Clarks Anteil an der Raffinerie aus, und nun stürzte er sich gemeinsam mit Sam Andrews voller Energie auf das Petroleum. Rockefeller hatte bereits einen doppelten Vorsprung vor seinen Konkurrenten: er selber besaß ein beachtenswertes Bankkonto, und sein Teilhaber Andrews hatte technische Methoden entwickelt, die der Konkurrenz in allen Fragen der Petroleumraffinerie weit voraus waren. In diesem Augenblick erschien Henry Morrison Flagler auf der Bildfläche. Er war der erste aus jener Phalanx von erstaunlichen Persönlichkeiten, die John Rockefeiler nach und nach für sich einspannen sollte. Flagler war im Jahre 1830 in der Nähe von Rochester im Staate New York geboren, ein verwegener, furchtloser Geist, der, wie viele sagten, keineSkrupel kannte. Er hatte eine Nichte von StephenV. Harkness, dem Whiskykönig von Ohio, geheiratet, der an der Erhöhung der Bundessteuer auf Spirituosen über Nacht ein Vermögen verdient hatte. Solch einen Coup wollte Flagler auch gerne machen, nur hatte er es dabei ein wenig zu eilig und verlor zunächst mit Salzgeschäften Kopf und Kragen. So mußte er zu seiner Frau nach Ohio zurückkehren, und weil er nichts anderes zu tun hatte, verkaufte er dort für John Rockefellers Produktenhandlung Getreide. Da machte Rockefeller Flagler plötzlich den Vorschlag, den Onkel doch zur Beteiligung an der neuen Petroleum-Raffinerie zu bewegen. Der alte Harkness ging darauf ein, und es wurde die Firma Rockefeller, Andrews& Flagler gegründet. Mit dem neuen Kapital und, wie einer von Rockefellers Biographen besonders hervorhebt, im Verein mit dem dynamischen und phantasiereichen Flagler, setzte der neue Petroleum-Konzern „zu einer Entwicklung an, in deren Verlauf sämtliche Mitarbeiter und Geschäftsfreunde ungeheure Vermögen verdienen sollten". So ganz nebenher hat der Koloß dann auch noch ein neues Zeitalter heraufbeschworen. Als weiteren Mitarbeiter brachte Rockefeiler seinen jüngeren Bruder William in den Konzern und eröffnete mit ihm zusammen eine neue Raffinerie unter der Firma William Rockefeller & Company. Das Werk befand sich zwar in Cleveland, William selbst aber ging als Vertriebsleiter nach New York, wo er dann bis zum Ende seines Lebens geblieben ist und dem Unternehmen, aus dem bald die Standard Oil wurde, ruhmvoll gedient hat. William war seinem Bruder nicht sehr ähnlich. Wer „Doctor" Rockefeller noch erlebt hatte, wird ihn in diesem jüngeren Sohn wiedererkannt haben. William war freundlich, lebenslustig, allerdings durchaus nicht fromm; alle mochten ihn aber gern, kurz, er paßte in die Welt. Dabei besaß er einen höllisch scharfen Verstand und es schadete nichts, wenn man im Umgang mit ihm ein bißchen auf der Hut blieb. John aber war es, der den großen Plan erträumte. Bescheiden war er nicht gerade, dieser Traum; es handelte sich nicht um solche Kleinigkeiten wie die Beherrschung der New Yorker Eisenbahnen, womit ein Vanderbilt sich begnügt hatte. Rockefeller wollte eine gesamte Industrie monopolisieren, mit allen Nebenbetrieben, und das Monopol sollte nicht nur Amerika, es sollte die ganze Welt umspannen. Schon 1869 mag Rockefeller diesen Plan konzipiert haben, denn bereits damals unternahm er die ersten Schritte, um die Raffinerien im Gebiet von Cleveland zu monopolisieren; Cleveland war damals das Zentrum der Öl-Raffinerie in den Vereinigten Staaten. Um sein Ziel zu erreichen, forderte Rockefeller zunächst von der Lake Shore-Eisen bahngesellschaft, die das Rohöl von den Ölfeldem nach Cleveland beförderte, einen heimlichen Rabatt in der fünfzehnfachen Höhe dessen, was den anderen kleineren Raffinerien offiziell zugebilligt wurde. Rabatte waren eine Art Bonus, den die Eisenbahnen den Firmen mit besonders großem Güterumschlag gewährten. Rockefeller bekam, was er wollte. In kürzester Frist waren Clevelands dreißig Raffinerien auf zehn zusammengeschmolzen, die anderen hatten eine von zwei Möglichkeiten gewählt: entweder sich der Rockefellergruppe anzuschließen oder zuzumachen. Am 10.Januar 1870 gründeten Rockefeller und seine Teilhaber die Standard Oil Company of Ohio mit einem Aktienkapital von einer Million Dollar. Innerhalb der neuen Gesellschaft war Flagler die treibende Kraft. William, der Mann mit dem großen Charme, machte den Außenminister, nur bedeutete er in Wirklichkeit sehr viel mehr, als in dieser Bezeichnung liegt. Über dem Ganzen aber schwebte das Gehirn: John D. Rockefeller. Nun wurden auch die großen Raffinerien der übrigen Gebiete entweder gezwungen, sich der Standard Oil anzuschließen, oder sie wurden eliminiert. Was die Eisenbahnen betraf, so hatten sie die Standard Oil und ihre Bundesgenossen allen anderen Firmen gegenüber zu bevorzugen; den Transport von Rohöl zum Export hatten sie überhaupt abzulehnen, denn die Standard Oil gedachte die Ölraffinierung gleich für die ganze Welt bei sich zu konzentrieren. Und dann waren da noch diese wilden Gesellen auf den Olfeldem selbst: sie hatten überhaupt keinen Sinn für Ordnung und noch viel weniger für die furchtbaren Gefahren der freien Konkurrenz. Man mußte sie erziehen, notfalls mit Strenge; denn diese ölproduzenten waren dickfellige Bauern, die sehr wenig fortschrittlich dachten. Als die Standard Oil 1870 gegründet wurde, galt John Rockefeller in Cleveland höchstens als recht erfolgreicher Geschäftsmann; um Politik oder um staatsbürgerliche Dinge kümmerte er sich nicht. Seine Frau besaß nicht den geringsten gesellschaftlichen Ehrgeiz, er selbst gehörte keinem Club an. Damals schon wie auch in späteren Jahren hat Rockefeller seine Teilhaber immer und immer wieder davor gewarnt, großspurig aufzutreten; es war nicht nötig, daß man die Menschen auf seine geschäftlichen Erfolge auch noch aufmerksam machte. Der umfassende Plan, den das Gehirn der Standard Oil erdacht hatte, bewegte sich mit tödlicher Sicherheit auf seine Vollendung zu. Eine nach der anderen wanderten die größten und leistungsfähigsten Raffinerien von Cleveland, Pittsburgh, New York und Philadelphia in den Verband der Standard Oil. Es war nämlich soeben etwas am Horizont aufgetaucht, das die Direktoren und Geschäftsführer dieser Raffinerien bewog, sich schleunigst und ehe es zu spät sein würde, an Rockefeller anzuschließen. Was ihnen da bange machte, war eine Firma mit dem harmlosen Namen South Improvement Company, eine Erfindung Henry Flaglers. Flagler erzwang für diese neue Firma von der Erie-, der Pennsylvania- und der New York Central-Bahn Verträge, auf Grund deren diese Bahnen nicht nur Rockefeller, sondern auch den unabhängigen, also nicht zur Standard Oil gehörenden Gesellschaften Rabatte auf alle Öltransporte gewähren mußten. Außerdem verpflichteten sich die Eisenbahnen aber noch, der Standard Oil Durchschläge aller Frachtbriefe der unabhängigen Gesellschaften zuzuleiten, wodurch die Rockefeller-Gruppe Preise, Rabatte, ja sogar die Namen der Kunden ihrer Konkurrenz erfuhr. Diese South Improvement Company stellte wohl die unverschämteste Erpressung dar, die sich jemals ein Mensch ausgedacht hat; und dabei stand die Firma völlig auf dem Boden des Gesetzes. Als die Presse dem Lande dann aber klarmachte, was der eigentliche Zweck dieser South Improvement Company sei, erhob sich ein lautes Entrüstungsgeschrei. Die Ölproduzenten organisierten sofort einen ersten Abwehrverband, dem viele weitere folgen sollten; sie lehnten die Rohöllieferung an Rockefeiler ab, sie weigerten sich sogar, ihr Öl durch die beteiligten Eisenbahngesellschaften transportieren zu lassen, und legten lieber Rohrleitungen zu den unabhängigen Raffinerien in den Verarbeitungszentren. In Titusville knüpfte man feierlich eine Strohpuppe als John Rockefeller auf und verbrannte sie anschließend. Im Kongreß wurde eiligst eine Untersuchungskommission zusammengerufen: sie bezeichnete Rockefellers sogenannten Versuch, Ordnung in das Petroleumgeschäft zu bringen, als ein Komplott, das an Gefährlichkeit alles übersteige, was dem Lande jemals zugemutet worden sei. Und das Staatsparlament von Pennsylvanien widerrief die Genehmigung der South Improveroent Company. John Rockefeller konnte diese fürchterliche Aufregung einfach nicht verstehen; er hatte doch gar nichts weiter im Sinn gehabt als innerhalb der Ölindustrie die Konkurrenz zu beseitigen, damit rationeller gearbeitet werden konnte. Aber - es gab ja schließlich auch noch andere Methoden. Der geschickteste Gegenspieler, den Rockefeller jetzt noch auf den Petroleumfeldern hatte, war wohl ein gewisser John D. Archbold, der aus Ohio stammte und in seiner Heimat als rabiater Standard-Oil-Gegner bekannt geworden war. Um ein Gegengewicht gegen das Standard-Oil-Monstrum zu schaffen, bemühte sich Archbold eifrig, die etwa zwanzig unabhängigen Raffinerien, die es in den Produktionsgebieten noch gab, zu pachten + es gelang ihm, sie in der Acme Oil Company zusammenzufassen. Die Produzenten waren begeistert. Die Druckerschwärze auf den Aktien der Acme war aber noch nicht trocken, da kam bereits heraus, daß die Acme nichts anderes war als eine neue Tochtergesellschaft der Standard Oil. Archbold hatte seine unabhängigen Unternehmer beschwindelt und verraten. Er machte sich nicht das geringste aus den Verwünschungen der Produzenten, sondern ließ sich eiskalt erst zum Mitdirektor der Standard Oil und dann zum Generaldirekter der Standard Oil of New Jersey ernennen. Man hat diesen Erzintriganten oft den „Mephistopheles" der Standard Oil genannt; einer seiner Biographen hat das viel unschuldiger ausgedrückt: „Archbold", schreibt er, „war unter den Direktoren derjenige, der die wenigsten Hemmungen hatte, wenn es hieß, Regierungsbeamten näherzutreten und sich mit ihnen zu verständigen." Auf jeden Fall war Archbold ein ungewöhnlich brauchbarer Mann. John Dustin Archbold war klein und hatte einen zu großen Kopf. Er behauptete immer, er sei frommer Baptist, und er sah einem Prediger auch nicht ganz unähnlich. Seine große Leidenschaft war Poker. Sonst befand er sich von früh bis spät auf dem Kriegspfad, und einerlei mit welchem Gegner er es gerade zu tun hatte, für ihn waren sie alle Erpresser, Gauner und Halunken. In Flagler und Archbold standen John Rockefeller jetzt zwei außergewöhnlich befähigte Mitarbeiter zur Verfügung. Zwei weitere, nämlich Henry H. Rogers und Charles Pratt, kamen wenig später dazu, und zwar dadurch, daß Rockefeller -diesmal auf dem Wege freundlicher Überredung- die in Brooklyn gelegene große Raffinerie der beiden in die Standard Oil hereinholte. Diese Anlage erzeugte unter der Marke „Pratt's Astral Oil" das beste Lampen-Petroleum in den Vereinigten Staaten, ein besonders hervorragendes Produkt, und war daher eine willkommene Ergänzung der eigenen Erzeugnisse der Standard Oil. Dennoch war das Produkt selbst für die Standard Oil nicht entfernt so wertvoll wie diese beiden Männer, die dem Konzern als Direktoren beitraten. Pratt stammte aus Watertown in Massachusetts, wo er 1830 geboren war + befaßte sich schon seit 1849 mit Olgeschäften. Vor kurzem hatte er zusammen mit Rogers die Raffinerie in Brooklyn aufgebaut, mit deren Leistungsfähigkeit es auch die beste Anlage der Standard Oil nicht aufnehmen konnte. Rogers, Pratts Juniorteilhaber, war zehn Jahre jünger als dieser und ebenfalls ein waschechter Yankee aus Massachusetts. Seine erste Geschäftstransaktion führte Rogers mit vierzehn Jahren durch, als er noch Zeitungen verkaufte. Eines Morgens fiel sein Blick in einem der auswärtigen Blätter auf die Notiz, daß ein Schiff mit fünfhundert Fässern Lebertran untergegangen sei; diese Ladung war für einen Händler am Ort bestimmt gewesen. Anstatt die Zeitung auszulegen, lief Rogers zu dem Lebertranmann hin, zeigte ihm die Nachricht und schlug ihm vor, er solle ihm den ganzen Packen abnehmen; so würde die Nachricht von dem Unglück vorläufig noch nicht bekannt, und der Kaufmann hätte Zeit genug, alle vorhandenen Vorräte an Lebertran in der dortigen Gegend aufzukaufen und zurückzuhalten. Unter diesem Gesichtspunkt, meinte der junge Rogers, wären seine Zeitungen, die ihn zusammen vielleicht fünfzig Cent gekostet hatten, gut und gern zweihundert Dollar wert. Der Kaufmann ging auf Rogers Vorschlag ein und das Geschäft wurde abgeschlossen. Rogers war vom Typ jener flinken jungen Leute, wie John Rockefeller sie gern in der Standard Oil haben wollte. Nicht daß er Rogers besonders gern gemocht hätte - eher war das Gegenteil der Fall -, aber er konnte seine Fähigkeiten gut gebrauchen. Rogers war ein brutaler Charakter und auch in jeder anderen Hinsicht das Gegenteil von Rockefeller. Außer dem älteren Morgan soll niemand eine so unangenehme Art gehabt haben, einen Menschen anzublicken. Befand Rogers sich aber unter Freunden, so war er freundlich und warmherzig; selbst die Journalistin Ida Tarbell, diese mißgünstige alte Sudelköchin, hatte konziliante Worte für Rogers. „Er war ein Pirat", schrieb sie, „aber kein Heuchler; er setzte die schwarze Flagge für-Jeden sichtbar und machte kein Hehl aus seinen Methoden." In der Standard Oil wurde Rogers Chef der Produktion; es stellte sich alsbald heraus, daß ihn hier eineAufgabe von gewaltigem Umfang erwartete. Gleich zu Beginn seiner neuen Tätigkeit mußte er der Standard Oil ihren bisher größten und schwersten Kampf durchstehen helfen, nämlich den massierten Angriff auf eine Petroleumraffinerie mit eigenen Rohrleitungen, die unter dem Namen Empire Transportation Company von Tom Scott verwaltet wurde, dem äußerst fähigen und tatkräftigen Generaldirektor der Pennsylvania-Eisenbahn. Rockefeller besuchte Scott und legte ihm höflich nahe, von seinen Extratouren doch lieber abzulassen. Scott weigerte sich. Darauf ging der junge Rogers zur Erie und zur New York Central und gab ihren Direktoren zu verstehen, daß die Standard Oil auf ihre unbedingte Unterstützung in einem Petroleumkrieg rechne, dessen Ausbruch stündlich zu erwarten sei. Die Frachtsätze für alle Standard-Oil-Produkte, so führte Rogers näher aus, würden für die Dauer dieses Krieges radikal zu ermäßigen sein. Nachdem dies geschehen war, gab die Standard Oil überall dort, wo die EmpireLeute operierten, neue und niedrigere Preise für Kerosin bekannt; die Empire-Leute waren zu spät aufgestanden. Wenige Monate dieses Preiskrieges genügten, um Tom Scott und seinen Geschäftsfreunden ihren Elan gehörig auszutreiben. Tatsächlich mußten sie ihr Kerosin bereits regelrecht verschenken. Zum Überfluß brachen gerade in diesem Augenblick die großen Eisenbahnstreiks von 1877 aus; bei der Pennsylvania-Bahn wütete die Anarchie. Im August - die Rauchwolken über den ausgebrannten Lokomotiven, Waggons, Bahnhöfen und Schuppen der Pennsylvania-Bahn hatten, sich noch nicht wieder verzogen - fuhr Tom Scott nach Cleveland, um mit Rockefeller Frieden zu schließen. Rockefeller wurde niemals hämisch und auch jetzt wurde er es nicht. Er versicherte Scott in herzlichen Worten, es gebe durchaus keinen Grund, warum sie nicht Frieden schließen sollten, und sogar auf einer sehr vernünftigen Basis. Die Standard Oil werde die Rohrleitungen, die Raffinerien, Tanks, Tankwagen und alle sonstige Ausrüstung der Empire Transportation Company übernehmen und ihr dafür bare 3,4 Millionen Dollar auszahlen. Wie Scott über diesen Preis gedacht haben mag, darüber schweigt die Chronik; es blieb ihm jasowieso nichts anderes übrig, als den Vorschlag anzunehmen. Die Rohrleitungen der Empire wurden alsbald den United Pipe Lines einverleibt, einer Tochtergesellschaft der Standard Oil, in der kurz danach noch eine weitere unabhängige Gesellschaft aufging: die National Conduit Company. Diese war von einem Manne zu großem Erfolg geführt worden, dessen Namen man überall in den Staaten an Scheunen, Brückenbögen, Plakattafeln und Schutzhütten, selbst an Felswänden in der freien Natur lesen konnte: Dr. David Hostetter, Erfinder von Hostetters Bitteren Tropfen, die aber durchaus kein Nebenprodukt des Petroleums waren. Die meisterliche Art, wie die Standard Oil die Empire und die National Conduit geschluckt hatte, half den Entschlüssen noch mancher anderen unabhängigen Konzerne nach, vor allem auch einigen großen Raffinerien in Maryland. Sie alle wurden nun fein säuberlich in einer neuen Firma zusammengefaßt, der Baltimore United Oil, ebenfalls einer Tochtergesellschaft der Standard Oil, Die wenigen jetzt noch übriggebliebenen Einzelgänger unter den Raffineriebesitzern im New Yorker Stadtgebiet baten daraufhin nun auch, der „Rockefeller-Allianz" beitreten zu dürfen - wie der Konzern bald allgemein genannt wurde. Das war im Jahre 1878. Rockefeller war damals neununddreißig Jahre alt. Seine „Allianz" kontrollierte inzwischen fünfundneunzig Prozent der gesamten Raffinerien und Rohrleitungen in den Vereinigten Staaten. Daraufhin ließsichRockefeller einenSchnurrbart stehen, einen Schnurrbart mit rötlichem Schimmer, und er trug von nun an einen Zylinder; sonst machte sich kein Wandel in seinen Lebensgewohnheiten bemerkbar. Auch erweckte er nie den Eindruck, als hätte er in seinem lebhaften Interesse für alles, was die Standard Oil Company betraf, im geringsten nachgelassen. Die folgende Geschichte mit den Spundzapfen zeigt das deutlich. Als Rockefeller eines Tages die monatlichen Verbrauchsaufstellungen seiner Raffinerien durchsah, stieß er auf eine Unstimmigkeit. Sofort schrieb er an den betreffenden Betriebsführer einen Brief. „Im letzten Monat", so hieß es darin, »haben Sie 1119 Spundzapfen aufgeführt; zehntausend Stück wurden Ihnen zu Beginn des Monats geliefert; verbraucht haben Sie in diesem Monat 9527 Stück; Sie melden einen Bestand von 1 102, wo sind die anderen 490 Stück geblieben?" Jeder Spundzapfen kostete immerhin den Bruchteil eines Cent, und im Haushalt der Standard Oil war auch der Bruchteil eines Cent etwas, dem man liebevolle Beachtung schenkte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten John Rockefeller und seine Paladine ihre Wunder ohne nennenswerte Belästigung seitens der Bundesregierung wirken können. Gewiß hatten auch vorher schon in einigen Staaten des Westens die „Grangers" -eine geheime Farmerorganisation - Gesetze zur Kontrolle der Eisenbahntarife verlangt. Verschiedentlich waren von den Staaten tatsächlich dann solche Gesetze erlassen worden, nur stellte sich fast immer sehr bald heraus, daß ihnen wenig Einfluß beschieden war. Mit Ausnahme der Eisenbahnen tat die gesamte Industrie damals immer noch, was sie wollte. Erst die Streiks des Jahres 1877 hatten diese Lage von Grund auf verändert, und die Einstellung der Regierung begann sich zu wandeln. Im Kongreß erhob sich plötzlich ein Abgeordneter von Pittsburgh und brachte einen Gesetzentwurf ein, der allerlei Fragen des Handels regeln, vor allem aber den Unfug der unterschiedlichen Frachtsätze bei den Eisenbahnen verbieten sollte. Das Gesetz wurde beraten - allerdings erst nachdem der zuständige Ausschuß in seiner Zusammensetzung eine kleine Veränderung durchgemacht hatte, indem ihm als Vorsitzender der Abgeordnete Hereford von West-Virginia beigesellt wurde, dessen vertraulicher Ratgeber in allen gesetzgeberischen Angelegenheiten ein gewisser Mr. Camden war. Camden aber war der Präsident der Camden Oil Company, und diese wiederum gehörte - worauf leider zu spät geachtet wurde - Rockefeller und seinen Leuten. Der neue Gesetzentwurf ging denn auch nicht an den Senat weiter, sondern verschwand in irgendeinem der vielen Aktenregale des Hauses. Aber die Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten, und ehe noch ein Jahr verging, wurde ein neuer Gesetzentwurf, diesmal wegen der Petroleumleitungen, im Kongreß eingebracht. Im Senat jedoch wurde er prompt wieder abgetötet, denn dort - die Öffentlichkeit erfuhr auch dieses Mal viel zu spät davon - erfreute sich John D. Archbold eines beträchtlichen Einflusses, und wer Archbold war, das wissen wir. Auf den Petroleumfeldem wuchs die Verzweiflung. Die Standard Oil kontrollierte die Rohrleitungen; die Standard Oil setzte die Rohölpreise fest. Immer und immer wieder versuchten die Produzenten sich zu organisieren, jedesmal aber schlugen ihre Versuche fehl. Sie waren, wie einer aus ihren Reihen sich ausdrückte, „eine feige, disziplinlose Horde". Auch gab es zu viele gewissenlose Elemente unter ihnen, denen es nur darum ging, möglichst schnell reich zu werden. Jetzt, im Jahre 1878, machten die angestammten Produzenten noch einmal eine letzte Anstrengung, es war zugleich ihre grimmigste. Mit einer Massenversammlung fing es an; gegen etwaige Spione der Standard Oil hatte man Posten an den Türen aufgestellt. Die Redner nannten die Versammlung das „Petroleum-Parlament", und die gefährlichsten Demagogen, die die Ölmänner auftreiben konnten, ließen ihrer Beredsamkeit freien Lauf. Nachdem sie der riesigen Versammlung genügend eingeheizt und die Standard Oil nebst John D. Rockefeller persönlich gebührend verrissen hatten, kam die Versammlung endlich zur Sache. Unter dröhnendem Beifall wurde beschlossen, gemeinsam eine eigene Rohrleitung zur Küste zu legen. Im Parlament von Pennsylvanien wurde ein Gesetzentwurf eingebracht, der das Wegerecht für die geplante Rohrleitung bewilligen sollte. Während John Archbold von der Standard Oil den Gesetzgebern gelassen, wenn auch nicht etwa untätig, zusah, erklärten Standard Oil und United Pipe Lines, es könne kein weiteres Rohöl mehr auf Lager genommen werden, die Tanks seien überfüllt. Darauf brach Panik unter den Produzenten aus, das Rohöl strömte weiter aus ihren Bohrlöchern, und andere Behälter als die Tanks der United gab es nicht. In Bradford sammelten sich große Menschenmassen an, sie belagerten das Verwaltungsgebäude der United Pipe Lines, sie krakeelten und drohten mit Gewalt. Die Standard Oil Company, John D. Rockefeller und noch einige andere Persönlichkeiten wurden daraufhin unter Anklage gestellt. Diese Anklage lautete auf verbrecherische Versuche, die Ölindustrie zu monopolisieren, unabhängige Raffineriebesitzer zu erpressen, das Transportwesen im Allegheny-Tal zu schädigen, von den Eisenbahnen untragbare Frachtsätze zu erpressen und endlich durch unlautere Mittel die Preise des Roh- und des gereinigten Öls unter eigene Kontrolle zu bringen. Mehrere Teilhaber Rockefellers innerhalb von Pennsylvanien wurden verhaftet. Rockefeiler selber befand sich zu dieser Zeit in New York; er verzichtete darauf, sich dem Gericht zu stellen. Indessen setzte es die Standard Oil mit den üblichen Mitteln durch, daß die Verhandlungen vertagt und die Verhafteten gegen Kaution freigelassen wurden. John Rockefeiler bat dann den Anwalt der empörten Produzenten, die sich immer noch „Petroleum-Parlament" nannten, zu sich und schlug eine Einigung vor. Die Standard Oil würde auf die meisten Wünsche seiner Mandanten eingehen, sie würde sich auch bereitfinden, alles ihr angelieferte Öl zu lagern - wenngleich Rockefeiler hier gewisse Vorbehalte machte. Hinsichtlich der Eisenbahntarife schlug Rockefeller in sanften Tönen vor, daß allen Firmen, die die gleiche Quantität befördern ließen, auch die gleichen Frachtsätze zugebilligt werden sollten. Praktisch bedeutete dies, daß die Standard Oil, die den weitaus größten Versand hatte, weiterhin die niedrigen Sätze zahlen würde. Wenn die Herren vom Petroleum-Parlament auch nicht recht sehen konnten, wo die Zugeständnisse der Standard Oil eigentlich lagen, so nahmen sie deren Bedingungen schließlich, obschon widerwillig, an oder zogen ihre Anklage zurück. Rockefeller konnte seine Aufmerksamkeit nunmehr einer neuen Gefahr zuwenden, die von der jungen Tidewater Pipe Line Company her drohte, einem wohlfundierten, bedeutenden Unternehmen, das Rohrleitungen über die Allegheny-Berge bis nach Willianisport hin gelegt hatte - für damalige Zeiten eine außergewöhnliche technische Leistung. Die 1879 vollendete Leitung funktionierte ausgezeichnet; Rockefellers eigene Kundschafter bezeugten dies und sandten begeisterte Berichte. So etwas nötigte Rockefeller immer Achtung ab - während seines ganzen langen Lebens soll er nie ein wirklich erfolgreiches Unternehmen lahmgelegt haben. Ohne Zögern erklärte er sich also bereit, Tidewater zehntausend Barrel Öl pro Tag zu liefern. Aber sein Angebot wurde abgelehnt; schließlich war die Tidewater-Gesellschaft ja gerade zu dem Zweck gegründet worden, den unabhängigen Raffineriebesitzem Mut zu machen. Rockefeller nahm die Ablehnung freundlich hin: hatte die Tidewater nicht das gute Recht, nein zu sagen ? Nicht lange danach beantragte ein Aktionär der Tidewater Pipe Line Company plötzlich bei Gericht, über das Vermögen der Gesellschaft die Zwangsverwaltung anzuordnen, mit der Begründung, in der Verwaltung herrsche grobe Mißwirtschaft. Die Ermittlungen ergaben keinerlei Anhaltspunkte für diese Behauptung; dagegen wurde bekannt, daß die 7 500 Dollar, mit denen dieser besorgte Aktionär seine Anteile erworben hatte, von der Standard Oil stammten; die Anordnung der Zwangsverwaltung wurde abgelehnt. Wenig später verhandelten die Direktoren der Tidewater mit einer New Yorker Bank über einen Kredit von zwei Millionen Dollar. Beinahe gleichzeitig hielt eine große Gruppe von TidewaterAktionären eine Generalversammlung ab, entließ die Direktion und wählte eine neue aus ihren eigenen Reihen, Die Tidewater brauchte das Geld dringend und schloß jetzt nur zu gerne mit der Standard Oil einen Vertrag, der das Ölleitungsgeschäft in ihrem Territorium aufteilte. Das Ergebnis ist interessant, weil es erkennen läßt, wer fortab in der Tidewater zu bestimmen hatte: 11,5% der Kapazität verblieben der Tidewater selber, die anderen 88,5 % erwarb die Standard Oil. Im Jahre 1881 wurde das Abkommen unterzeichnet. Rockefeiler hatte kurz zuvor seinen zweiundvierzigsten Geburtstag gefeiert. Innerhalb von elf Jahren hatte sich die Standard Oil aus zwei Raffinerien in Cleveland zum bedeutendsten Öl-Unternehmen im ganzen Lande entwickelt. Hinter ihr lagen ruinierte Existenzen und verlassene Fabrikanlagen, vor ihr die unbestrittene Macht über Reichtumsquellen von gigantischen Ausmaßen. Und doch war dieser ganze Aufstieg so lautlos - fast kann man sagen: mit solcher Heimlichkeit - vor sich gegangen, daß außer den unmittelbar Beteiligten kaum jemand eine Ahnung davon hatte, welch ein Monstrum aus der Standard Oil geworden war. Nur Rockefeller selbst zeigte sich mit der damaligen Gestalt der Standard Oil noch nicht zufrieden. Auch dachte er, sie könne viel wirksamer von der großen Geldzentrale aus geleitet werden; er zog deshalb mit seiner Familie nach New York in die 54th Street Nr. 4. Sein Haus war recht bescheiden ; mit den fürstlichen Palästen der Fifth Avenue hielt es einen Vergleich nicht aus. Vorläufig war Rockefeiler noch ein verhältnismäßig unbekannter Mann, verglichen etwa mit Persönlichkeiten wie Astor oder Vanderbilt- William Vanderbilt jedoch, der Sohn und Erbe des Commodore, kannte den jungen Rockefeller und seine Teilhaber bereits genau. „Höchst smarte Leute"nannte er sie, und als man einmal von ihm wissen wollte, warum er der Standard Oil so hohe Rabatte gewährte, sagte er: „Ich glaube, wenn Sie mit den Leuten zu tun hätten, wüßten Sie das selber bald." Damals hauste das Büro der Standard Oil in einem bescheidenen Gebäude in der Pearl Street. Der Aufsichtsrat trat täglich zusammen, ausnahmslos hinter verschlossenen Türen, die zudem noch bewacht wurden. Dort zauberte Rockefeller eines Tages einen Plan hervor, der der Standard Oil eine noch glänzendere Position geben sollte als bisher; was ihm vorschwebte, war der erste amerikanische Trust. Wir werden erst später auf diesen Standard Oil Trust zu sprechen kommen, vorher müssen wir noch die Erfolge einiger anderer Männer schildern. Sie haben sich auf den verschiedensten Gebieten betätigt, oftmals in den entferntesten Teilen des Landes; auf das Leben in den Vereinigten Staaten aber war ihr Einfluß größer als der aller Präsidenten, Senatoren, Generäle und Politiker zusammen. * * * * |