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19150800_Schleich_C_Ludwig_Schaltwerk_Propaganda_01.htm


00.Aug.1915 Schleich, Carl Ludwig, vom SCHALTWERK DER GEDANKEN [PROP]

[PROPAGANDA]


00.000.1556 Loyola, Ignatius v.

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00.Aug.1915 Schleich, Carl Ludwig, Berlin, "VOM SCHALTWERK DER GEDANKEN" - Neue Einsichten und Betrachtungen über die Seele"

00.000.1916 S. Fischer, Verlag, Berlin, 22.-27- Auflage, 1920 S. FISCHER VERLAG BERLIN, Copyright

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VOM SCHALTWERK DER GEDANKEN Neue Einsichten und Betrachtungen über die Seele von CARL LUDWIG SCHLEICH

Berlin, im August 1915 Carl Ludwig Schleich 1920 S. FISCHER VERLAG BERLIN

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22.-27- Auflage. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung, vorbehalten. Copyright 1916 S. Fischer, Verlag, Berlin.

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Meiner Frau Hedwig gewidmet

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Auf den feinsten Nervensaiten

Spielt ein Spielmann sein Gedicht,

Wohl fühlst du die Finger gleiten,

Doch den Spielmann siehst du nicht.

------------------------------

Vorwort...................11

VORWORT

Was ich mit der Wünschelrute der Gedanken hier aus dürrem Boden ungelöster Fragen zutage gefördert habe -

ich kann es nicht wissen, ob es reiner, erfrischender Quell ist oder noch unklarer Strom.

Ich glaube es hell und einfach genug, um manchen Wissensdurstigen zu erquicken.

Die Zeit muß lehren, wie es darum steht. Als ich die ersten leitenden Ideen zu dieser Arbeit voll erfaßte,

war mir zumute, als schaute ich von einem Hochplateau ins Tal, das von Nebeln und Dünsten tief verhüllt lag.

Neue Gedanken, dünkten mich, sind wie die Morgensonne, sie hellen langsam Kuppel um Kuppel, die Matten, die Täler auf,

und alsbald liegt das ganze Panorama in hellem Sonnenglanz. Das sind frohe Stunden eines werdenden Tagewerkes.

Aber ein anderes ist es, nun auch den Genossen im Tal das Geschaute recht zu schildern.

Wie sehr fühlt man dann die Mängel und die Grenzen seiner eigenen Darstellungskraft.

Trotz der ungeheuren Spannung dieses seelischen Erdbebens, das der blutigste Krieg in unseren Seelen erzittern läßt,

habe ich eine kurze Ruhezeit, die mir als Pause chirurgischer Arbeit im Dienst des Vaterlandes gewährt wurde, benutzt,

um die Resultate meiner Ausblicke festzulegen. Ich habe des öfteren in Gesprächen und in Vorträgen erfahren,

daß diese Art, die seelischen Dinge zu schauen,

lebhaftes Interesse erregte + gefunden, daß hochgebildete Laien und selbst Mediziner

keine rechte Vorstellung vom Mechanismus unseres geistigen Innenlebens besitzen und hoffe daher,

manchem

an der Hand einer wenigstens geschlossenen Anschauung Hilfen zu besserem Verstehen zu bieten.

Daß ein Mediziner einen idealistischen Mechanismus vertritt, mag als eine eine Sühne gelten dafür, daß gerade wir Ärzte

000000000 früher

soviel dazu beigetragen haben, dem abgetretenen, krassen Materialismus die Sohlen zu beflicken.

Wenn ich in diesem Buche manches wiederholen mußte, was schon

in meinem Buche „Von der Seele", wenn auch anders gefaßt, enthalten war, so bitte ich zu bedenken,

daß ich auch dieser Arbeit eine gewisse, geschlossene Selbständigkeit zu geben bestrebt war, wobei natürlich

Wiederholungen nötig wurden. Ich habe mir alle Mühe gegeben, sie wenigstens in ein völlig neues Licht zu setzen.

Möge dies Werk dazu beitragen, neben der Bereicherung des Wissens jene Ehrfurcht zu schüren, ohne welche

man

gerade an den herrlichsten Wundern der Natur vorbeigeht, genau so wie der nur auf den Weg achtende Wanderer

die schönsten Ausblicke rechts und links von der Heerstraße des Lebens versäumt.

00.Aug.1915 Berlin, im August 1915 Carl Ludwig Schleich


Das Gehirn und seine Apparate .........................................................................................................13

DAS GEHIRN UND SEINE APPARATE

Welch wunderbarer Anblick für den Anatomen und noch mehr für den Laien: ein Schädel!

Dieses knöcherne Gehäuse aus starrem Kalk und trockenem Leim,

diese beinerne Kapsel für eins der merkwürdigsten Gebilde der gesamten Natur: ein menschliches Gehirn !

Aus diesen Höhlen unter der Stirn brach das Feuer der Gedanken und Leidenschaften +

hier sog die Sehnsucht das himmlische Licht der Außenwelt, das Gaukelspiel der Farben und Formen in sich hinein,

durch jene Doppelspalten in der Mitte über dem fletschenden Kiefer strömte der Odem des Lebens,

der Feuerhauch der Wärme und Arbeit spendenden Gase ein und aus, durch diesen zahnbereihten Schlitz

ging das Wort, das Lied, der Strom der Erhaltung und der bacchantischer Tränke;

durch jene seitlichen, gepaarten Löchelchen hinter den steil abfallenden Schläfen rauschten die Worte von Haß und Lieben,

von Befehl und Bitte und vielleicht die bebenden Klänge des hohen Liedes von der Freude.

Und wohin? In die Gewölbe unter diesen Knochenschalen, in die jetzt Katakomben und Ruinen gleichenden Höhlen, in denen

einst die große Einsame, die nie Gesehene, wie man so sagt: die Seele wohnte. Wo ist sie jetzt ? -

Denken wir uns neben dem schön elfenbeinweiß präparierten Schädel vor uns das dazugehörige Gehirn.........................................[SCAN!-bis 46]

-------------------------------------------------

Die drei Orgelregister des Gehirns .................. 46

Gedächtnis und Erinnerung ............................. 70

Wie Träume entstehen .......................................94

Seelisches Leid ..............................................101

Freude verlängert das Leben ..............................110

Der Wille und der freie Wille ..............................122

142---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------142

Ignatius von Loyola und der preußische Drill

00000.0000 Als der bildschöne und elegante

Page und Leutnant Ignaz von Loyola, der Liebling der Damen vom Königshofe Ferdinands des Katholischen

(man raunte sogar von einer Herzensgunst der Königin)

bei Pamplona durch eine Kanonenkugel, welche das Bein traf, sich zum Krüppel geschossen sah, hatte er

während eines vielmonatigen Krankenlagers genügend Muße, über Welt und Leben nachzudenken.

Mannhaft, schrei- und tränenlos ertrug er ein dreimalig wiederholtes Brechen der Knochen -

nutzlose Korrekturversuche des schief verheilten Gliedes. Sein Gang blieb bis ans Ende seiner Tage,

er war 65 Jahre alt,als er im Jahre 1556 starb) hinkend.

Während seiner Fiebernächte nun soll er eine Vision gehabt haben:

die Himmelskönigin habe seinem Bett zur Rechten gestanden und zur Linken die Königin seines Herzens +

Welt und Himmel seien eine Zeitlang im Kampf verharrt um seine Seele.

Als er erwachte, sei er entschlossen gewesen, der Welt zu entsagen und den Versuch zu machen,

ob es nicht möglich sei, sein Inneres so schön und harmonisch zu gestalten, wie es einst sein Äußeres war,

gewissermaßen zur Ehre der Mutter Gottes sich so von Welt und Sünde zu reinigen, daß

er als ein würdiger Diener der Himmlischen auf Erden wandeln und Gutes tun könne. Es ist absolut sicher verbürgt, daß

er darauf für Sieben volle Jahre in eine Felsenwüste bei Montserrat zog

und unter schwersten Kasteiungen und kümmerlichsten Lebensbedingungen sein inneres Ich zu ergründen suchte

und unter dauernden Übungen des Geistes sich dem hohen Ziele einer Pilgerschaft zum heiligen Grabe

und eines ausschließlichen asketischen Wandels anzupassen. Was

er hier an inneren Vorgängen geschaut + abgelesen hat, erinnert in manchen Punkten an die freilich

weit umfassendere Erkenntnis-Wühlarbeit Kants,

überragt aber, was die praktische Seite der Stellung und Handlung des Menschen in der Welt betrifft,

die Kantschen ethischen Allgemeinforderungen um ein erhebliches, einfach, weil

Ignatius von Loyola durch Innenschau den wesentlichen Punkt erfaßt hat,

auf den es bei jeder Erziehung allein ankommt:

die Überwindbarkett der Affekte durch Übung + zwar „militärische Übungen des Geistes".

Ja, so nannte der einstige Offizier der spanischen Armee sein fertig aus den Bergen zu Tal getragenes Werk:

Exercitia spiritualia militaria, geistige, militärische Übungen.

Und ich spreche es ruhig aus, weil es meine tiefste Überzeugung ist, mit diesen Rezepten und Exerzitien in der Hand

könnte man noch heute unsere gesamten Irren häuser reformieren und zum mindesten bei zwei Dritteln verhüten,

daß die dort Verurteilten je die Schwelle der vergitterten Häuser, die zwar keine Gefängnisse, aber Käfige der Seelen sind,

zu überschreiten brauchten.

Auf unseren protestantischen Gymnasien und Universitäten wird uns dieser Mann nicht richtig geschildert +

man macht ihn für die Fehler derer verantwortlich, welche den Verfall seiner Lehren eingeleitet haben,

was für die Gewaltigsten nicht angängig ist, andernfalls müßte auch ein Christus für die Sünden, die in seinem Namen

die Welt schaudernd erblickt hat, verantwortlich gemacht werden.

Nach eingehenden Studien habe ich mich überzeugt: der Mann hat sein Ziel, sich von allem irdischen Tand zu befreien, erreicht;

er war rein, wenn auch fanatisch, aber ganz gewiß kein Bösewicht, sondern ein gewaltiger Geist, der seinem Ideal,

der Verherrlichung der Kirche Petri und der Jungfrau Maria, mit völlig unbefleckten Händen treu geblieben ist

und einen geistigen Willen in sich konzentrierte, der nach Auffindung seiner Exercitia sptritualia ihn zu der Überzeugung geführt hat,

0000000000 dereinst das ganze Erdenrund beherrschen zu können, wie ein Geisteskönig.

Er hat das vollbracht mit fünf Jüngern,

die er aus einer großen Schar von Zöglingen nach seinem Rezept zu Vollendern großer Pläne erzogen hatte.

Er suchte sie in Spanien, in Paris, in Rom, oft verfolgt und vertrieben und war von einer solch gewaltigen Kraft der Persönlichkeit, daß

er, dreimal vor ein Ketzergericht gestellt, es dreimal erreichte, daß der jedesmal präsidierende Papst sich

000000000 unmittelbar nach seiner Verteidigungsrede in den heiligen Orden der Brüder Jesu aufnehmen ließ.

Wenn man ferner erwägt, daß seine Schüler einst den ganzen Erdkreis geistig und materiell in ihren Bann schlugen,

so darf man wohl die Frage aufwerfen, ganz abgesehen von jedem Werturteil über die Jesuiten,

was gab diesem Mann und der größeren Schar seiner Jünger die enorme Kraft zu solchen Leistungen?

Denn wenn wir ihm, dem Stifter des Ordens und seinen fünf Auserlesenen,

auch alle Fähigkeiten des stark suggestiven Geniemenschen zusprechen wollten,

so ist es doch wohl ausgeschlossen, daß auch die größere Schar seiner Schüler,

welche die eigentliche Kleinarbeit der geistigen Unterwerfung des Erdballes vollbrachten, einer um den anderen urgeniale Leute gewesen seien, sondern

es muß objektiv in seiner Lehre, in seiner Methode etwas stecken, was von enormer Bedeutung ist und vielleicht niemals ernstlich von Nichtjesuiten nachgeprüft ist.

Ich will hier nicht näher eingehen auf seine ihm zugeschriebene Moral mit dem doppelten Boden

und der berüchtigten Lehre von der Heiligung der Mittel durch den Zweck, obschon ich, glaube, daß

dies nur eine gefährliche Nebenrichtung seiner Grundidee war und gerne zugebe, daß etwas von dem Herrscherstolz in ihm gesteckt haben mag,

der eine Wahrheit für sich und eine für die anderen hatte, worauf folgende Anekdote, die, selbst wenn sie nicht wahr sein sollte,

doch ihm gut auf den Leib geschneidert ist :

Ignatlus sitzt im Kreise seiner Schüler und fragt sie, ob sie ihm sagen könnten, was auf den ersten Tafeln des Gesetzes,

die Moses vom Sinai herunterbrachte, gestanden haben möge, die er zerbrach, als er den Cancan derer um das goldene Kalb mit ansehen mußte.

Niemand konnte Kunde geben. Da sprach er selbst: „Jetzt leset ihr:

Du sollst keinen Gott neben mir haben, du sollst nicht stehlen, du sollst Vater und Mutter ehren und so fort mit zehnfachem Befehl für dich.

Ich aber sage euch:

auf der ersten Tafel schloß Moses sich selbst mit ein in den Befehl, da stand geschrieben:

Ich soll nicht; ich, ich soll ! Auch — ich — soll nicht !

Da sah Moses die Distantia zwischen sich und jener Plebs,

ging hin und änderte jedes Ich in Du.

Denn es ist ein anderes, was ein Herrscher zu tun hat, ein anderes, was das Volk."

Aus dieser Erzählung spricht gut und deutlich die Lehre der zwei Geleise, die, wenn wir ganz ehrlich sein wollen, noch

000000000 heute jedermann folgt, wenn nicht aus starrem Prinzip, so doch aus Bequemlichkeit, Lässigkeit und Gutmütigkeit.

Wer kann wohl seine letzten Gedanken, seine Geheimnisse, seine Ideale den anderen, der Menge preisgeben, ohne dafür gesteinigt zu werden ?

Was wurde aus den Heiligen, die mit einer eingeleisigen Idee durch die Welt kommen wollten ? —

Sie wurden verbrannt, verketzert.

Wie ist der Ausgleich Zwischen den Forderungen der Natur und denen des Staates anders möglich,

als durch ein wenig Versteckenspiel mit der eigenen Meinung bzw. ein bißchen Augenzudrücken hier oder dort.

Nur die eigene Meinung bescheiden zurückzuhalten ist schon ein wenig Zweiseelentum !

Wir sind alle ein bißchen Jesuiten in diesem Sinne, uns mangelt nur die prinzipielle Schulung.

Wenn wir die Rolle,

welche im Staate die Konvention, der geselschaftliche Zwang, das Buhlen um die Gunst der Großen, Reichen oder der Vielen dieser Erde spielen,

recht ehrlich betrachten,

so gehen wir fast alle auf zwei Geleisen.

Ja, die sog. goldene Mittelstraße ist auch nur ein Weg, auf dem man eigentlich aus Jesuitismus weder rechts noch links zu gehen wagt.

Und was den berühmten Satz:

„Der Zweck heiligt die Mittel" anbelangt, so mag man mir als Chirurgen es nicht verargen, wenn ich ihn voll und ganz täglich, stündlich anerkenne,

denn das zwangsweise Narkotisieren trotz allen Aufbäumens der Patienten, das Hineinschneiden in Fleisch und Sägen am lebenden Gebein

ist ein scheußliches Mittel -und wäre entsetzlich, wenn nicht ein so heiliger Zweck, wie die Gesundung, es annehmbar machte.

Ja, und die fromme Lüge in der Medizin, die überall üblich ist, die Rezepte verschreibt (ut aliquid fieri videatur), zum Trost,

als eine Art Ablaßzettel + welche die Wahrheit verheimlicht, weil ihre Verkündung eine Brutalität wäre?

Ein Dilemma, aus dem nur der Seufzer des Pilatus: „Was ist Wahrheit ?" retten kann — sind das nicht zwei Geleise ?

Aber mir kommt es hier nicht auf eine Apologie des Jesuitismus an, obwohl ich finde, daß seinen Jüngern manchmal

Sünden hart vorgehalten werden, die auch andere begehen, sondern ich möchte nur den

Kern herausschälen aus den psychologischen Erkenntnissen des Ignatius von Loyola,

weil hier für mich eine Quelle segensreichster Handhaben zu stecken scheint und ein tiefer Einblick in den

Mechanismus des menschlichen Geistes.

Es sind die "Exercitia spiritualia militaria" nämlich eine Art sicherer Unterweisung in der Kunst, seiner Affekte schrankenlos Herr zu werden,

eine Schulung zum Dichterwort: „Sei stets dein Herr und nie dein Knecht", eine kaum versagende Anleitung zum Siege der Vernunft über die Triebe.

Was tat Loyola, wenn er Schüler suchte ?

In einem dunklen Zimmer ließ er in unverdrossenem, schweren Geistesringen den Zögling irgendein besonders ergreifendes Bild, z. B. Christus am Kreuze,

die Jungfrau Maria, auch wohl einmal Profanes, irgendein nacktes Weib, mit bewußtem Einschluß sexueller Dinge bis auf das Titelchen beschreiben

und half ihm die feinsten Details durch Fragen, z. B. nach dem Aussehen der Schnittwunde Christi in der linken Brustseite, des sickernden Blutes usw. herausfinden

und sich so fest einprägen, daß das Bild, ein Kelch, ein Blumenstrauß, ein Weib leibhaftig vor dem inneren Blick haften und reproduzierbar blieb.

Wer jemals, wie Ich, aus noch zu erörternden Gründen solche Übungen mit anderen und mit sich selbst angestellt hat,

der weiß, welch eine enorme geistige Konzentration dazu gehört, vom Einfachsten zu dem Kompliziertesten fortschreitend zwingende Innenbilder

in sich oder anderen zu erzeugen. Manchem gelingt es nur mit unendlicher Mühe, selbst die einfachsten Bilder, wie einen Fetzen Papier,

visionenhaft *1) deutlich vor die Seele treten zu lassen, anderen leichter.

Die ersteren wurden von Loyola als ungeeignet nach vielen vergeblichen Versuchen abgelehnt.

Doch das ist nicht die Hauptsache.

Ist solch eine Übung von Vorstellungsbildern beendet, sie dauerte gewiß stundenlang, so kam der unerbittliche Befehl, in aller Strenge dem Schüler ins Ohr gedonnert: „Wehe! Wenn du innerhalb der nächsten 24 Stunden auch nur ein einziges Mal dies eben beschworene Bild (bei dem oft Wollust und Gier bewußt eine Rolle spielten)

in den Kreis deines inneren Gesichtes treten läßt!

Wehe! wenn deine sündigen Gedanken auch nur mit einem Hauch die Vision berührt, sofort, sei's Tag oder Nacht, du meldest mir, daß du ungehorsam warst Im Geiste!" Kam dann ein Bekenner, so waren empfindliche Strafen, Kasteiungen, unaufhörliche Gebetsübungen die Folge, auch die Geißel mag geschwungen sein.

________________________________________________________________________________________________________

*1) Visionen, Halluzinationen, zweites Gesicht, Träume sind sämtlich Funktionen der Phantasie.

Loyola ließ also die Stromumkehr vom Zentrum zur Peripherie, gleichsam das Klavier von den Saiten zu den Tasten bis zur Virtuosität üben.

d. h, also den Neurogliamuskel der Einschaltung, um nachher die Ausschaltung der Affekte in die Hand zu bekommen.

________________________________________________________________________________________________________

Dann begannen diese Übungen von neuem. — Was bezweckten sie ?

Einen Menschen heranzuzüchten, der imstande war, seine Vorstellungen, seine Affekte, seine Triebe ab- und anzustellen wie mit einem Kurbelzug.

Gewaltsame, grausame Tyrannei des Geistes!

Doch welch ein Mensch ging dann aus solcher gelungenen Schulung hervor!

Denn, und das ist das Wunderbare,

Loyola wußte, wahrscheinlich aus siebenjähriger Selbstkasteiung, daß die Muskelübungen zur Abstellung der Vorstellungen

indirekt die Spurmechanismen der Affekte, der unterbewußten Triebe, der schwankenden Verlokkungen der Sünde, der geheimen Aufträge,

der Verschwiegenheiten, ja die des Selbsterhaltungstriebes zu stählernen Klammern einer grandiosen Willenskraft umbilden mußten.

So konnten Persönlichkeiten gezüchtet werden, die fast nur Geist und Wille waren, stets Herren ihrer selbst und

von einer Energie der Selbstüberwindung, die im Dienste einer zentralen Idee unendliche Machtfülle suggestiv auszuströmen imstande waren.

Man denke sich einmal diese Athleten der Hirnmuskeln mit den tiefliegenden Feueraugen, die doch so ruhig und sanft blicken konnten,

mit den bleichen, von der gewaltigen Denkarbeit scharf gefurchten Zügen, den schmalen, sinnenlosen Lippen, —

welch eine Wirkungsfülle mußte von ihnen ausgehen!

Ein großer Ruf ging ihnen voraus.

Diese ersten, reinen, unverfälschten Jesuitenpatres

waren gewiß unter der Bildnerhand Loyolas zu Genies des Willens, Napoleons der Gedanken, Mirabeaus der Redegewalt geworden

und das allein durch systematische, freilich grausame und unaufhörliche Schulung des Gehirns zu einer virtuosen Technik der Registrierschaltungen.

Diese Angelegenheit hat aber durchaus nicht nur die Bedeutung einer psychologisch historischen Analyse

— aus diesem Grunde würde ich sie nicht so ausführlich besprochen haben — sondern in ihr ist ein

000000000 bisher ganz übersehenes praktisch, enorm wichtiges Heilverfahren verborgen.

Als solches habe ich es oft erprobt und will hier davon berichten. Es ist nämlich klar, daß

bei jeder Form von Neurasthenie, Platzangst, Furcht- und Angstneurose, Halluzinationen im Beginn, Sexualneurosen aller Art

es nur einen exakten Weg der Heilung geben kann, das ist

die Erlernung der selbsttätigen, willkürlichen Abstellung alles Triebhaften, Affektgemäßen, Gedankenfluchtartigen durch die systematische

Kräftigung derjenigen Neurogliamuskeln, welche die

Stromabsperrungen gegen die unterbewußten Motive, Einbrüche, Überflutungen des Gehirns und namentlich des Vorstellungsregisters vollziehen.

Es hilft nicht,

für diese Muskeln direkt an der Stelle der defekten Hemmung, etwa durch Zuspruch, den Versuch zu machen,

jeden derartigen Gespenster- und Gedankenzwang zu unterdrücken — im Gegenteil,

jeder bewußte Appell an die geschädigten Barrieren und erschlafften Isolatoren

reißt ein größeres Loch im Gewebe der Vorstellungen,

macht die Passage des Unterbewußten in die Bahnen der Verlusterregungen nur noch wegsamer,

weil alle Arten überanstrengter Muskulatur durch neue Funktionsreife nur noch schlaffer werden.

Sie bedürfen einer Zeit absoluter Ruhe, um dann von ganz anderen Zonen her des Hirnmuskelsystems

sekundär zur selbsttätigen Aufnahme seiner sperrenden Funktionen anzuregen.

Einem Sänger, dem seine Stimmbänder überanstrengt werden,

einem Geiger, der sich überspielt hat,

empfehle ich doch auch nicht, die schadhaften Organe zu üben, sondern ich suche auf die Kräftigung seiner Gesamtmuskulatur

durch Sport, Turnen und hygienische Lebensweise einzuwirken unter zeitweiser völliger Außerfunktionssetzung seiner geschädigten Einzelmuskeln.

Solange ich die gelähmten Bündel der Neuroglia, welche die unterbewußten Motive hindurchlassen, nicht elektrisch direkt reizen kann,

bleibt nichts übrig, als das ganze Gebiet der Willensorgane zu kräftigen durch Maßnahmen, die eben dem

Plane und der Methode des Ignatius auf das Haar gleichen.

Es hilft auch nichts, nach Freud s Vorschlägen solche sog. eingeklemmten Motive,,abzureagieren",

d. h. die Seele durch Bekenntnisse und Erkenntnisse etwa „erotischer Früherlebnisse" von ihnen zu entlasten.

Denn selbst wenn man sich unter diesem Einklemmungsvorgang erotischer Frühinsulte etwas denken könnte

(Erinnerungen können doch nur im Phantasteregister, also nur im Bewußten ihren Sitz haben, Affekte sind aber Dinge der inneren Sekretion und des Sympathikus),

so ist gar nicht einzusehen, wie durch ein einmaliges Stromöffnen (anders heißt doch das „Abreagieren" nicht)

Dinge definitiv ausdampfen könnten, die sich immer von neuem erzeugen müssen und immer lebendig bleiben,

immer vorhanden sind und nur durch Absperrung, aber nicht durch Öffnung der Passage ins Bewußte unterdrückt werden können.

Ich glaube, in Freud s hervorragender Persönlichkeit liegt etwas, ihm vielleicht selbst nicht völlig klares Loyola -haftes,

und seine Methode, die ich nicht aus eigener Anschauung, sondern nur aus Berichten und Arbeiten seiner Schüler kenne,

wird schließlich mit diesen meinen Anschauungen zu vereinen sein;

auch bei ihm könnte, wenn er von dieser Neurogliamuskulatur erfährt,

der Gedanke Zugang finden, daß in seinen Heilbestrebungen vielleicht doch ein Faktor zur Stärkung der ganzen Muskulatur der Neuroglia gelegen ist

und daß auch seine Heilungen hinauslaufen auf eine funktionelle Absperrung der Motivspannungen.

Ein Motiv ist doch funktionell und nicht materiell,

es kann also auch nicht wie ein hohler Zahn ausgezogen werden *1).

___________________________________________________________

*1) Auch sonst ließe sich manches gegen Freuds Anschauungen sagen, wozu hier keine Veranlassung ist.

Den Hauptfehler seiner Theorie sehe ich in dem Mangel mechanistischer Vorstellbarkeit der von ihm vorausgesetzten Vorgänge.

Darin liegt der Mangel der Lehrbarkeit seiner Methoden.

Die Medizin muß methodisch übertragbar sein, oder sie wird immer problematisch sein.

Alle ihre Siege sind auf methodischem Wege erfolgt.

Ich fürchte, Freuds Erfolge sind Wirkungen seiner Persönlichkeit, nicht seiner Methode,

Die Mediziner haben bei uns, in protestantischen Ländern, die ganze Erbschaft der katholischen Kirche angetreten,

sie haben auch wohl oder übel das Beichtgeheimnis mit übernommen,

ohne eigentlich für dieses „Abreagieren" von Geheimnissen vorgebildet zu sein.

Auch Freuds Bemühungen sind Entlastungen der Seele durch eine Art Beichte!

_______________________________________________________________

Meinerseits erreiche ich eine Absperrung der Motive durch allgemeine Willensübungen (Exercitia spiritualta voluntaria),

also indirekt durch systematische Kräftigung der gesamten Neuroglia, indem ich

in leichten Graden von Neurasthenie, Gedankenflucht, Schlaflosigkeit als Folge von Angstneurosen

diktatorisch den Patienten vorschreibe, zwei- bis dreihundert Klimmzüge des Gehirns an gleichgültigen Dingen zu üben.

Z. B. vom morgendlichen Aufstehen an müssen alle Maßnahmen der Säuberung, Hygiene und der Bekleidung

in einer ganz streng wiederholten Reihenfolge vollzogen werden, die in einer langen Liste hintereinander aufzuschreiben und auszuführen sind.

Ebenso verlaufen die Akte des Frühstücks, des Arbeitsweges, die Modalitäten der Berufstätigkeiten in einer streng vorgeschriebenen Form;

jede Stunde, möglichst jede Minute oder Sekundenfolge enthält ihre eisern festzuhaltende Willenskette und so fort bis zum Schlafengehen.

Befolgen die Patienten diese Methode peinlich und unverdrossen, so merken sie nach einiger Zeit ganz von selbst, daß sich ihr Zustand gebessert hat.

Ganz naturgemäß: In das ganze Gebiet der Willensaktionen des Gehirns und Rückenmarkes kommt Zucht, Ordnung, Drill +

aus einem flatternden, irrlichternden Gedankenspiel, aus bunten Willkürlichkeiten und Plötzlichkeiten wird Herrschaft über den Ablauf der Denkbahnen.

In schwereren Fällen, bei Platzangst, Halluzinationen, fixen Ideen usw. kommt man mit diesen einfachen Methoden nicht aus, sondern

hier setzt ein volles Loyola -sches Programm ein:

zunächst die Übungen, sich alle möglichen Gegenstände zwingend innerlich bis zur vollendeten Treue des Spiegelbildes vorzustellen,

gleich hinterher dann der Befehl, den betreffenden am Tage geübten Bildkomplex binnen vierundzwanzig Stunden überhaupt nicht,

auch nicht mit den Möwenschwingen der Phantasie zu streifen. Andernfalls sofortige Berichte.

Schwere, grobe, ernste Scheltworte, Drohen, die Behandlung aufzugeben, wirken hier auch ohne Geißel und Arreststrafen.

Ich habe die Freude gehabt, mehrere Männer mit Platzangst und eine Frau mit Gehörhalluzinationen vollkommen zu heilen.

Das sind die Methoden, welche ich Ignatius von Loyala danke. Aber wir sehen ja

000000000 jetzt in diesem gewärtigen Kriege, den uns eine Welt von Neidern aufgenötigt hat,

den Triumph einer gleich wirkungsvollen Geistes- und Leibesschulung, auf den die Welt atemanhaltend hinstarrt wie auf ein Wunder.

Gegen eine fünf- bis siebenfache Übermacht hält das heilige Deutsche Reich im Bunde mit ÖsterreichUngarn, derTürkei und den Bulgaren

sich die Feinde nicht nur vom Halse, sondern hat sie selbst in die Erdhöhlen gejagt.

Was sind diese Schützengräben, diese Maulwurfskriege anders, als ein Kompliment vor der teutonischen Gewalt,

der man sich kaum noch, wenigstens im Westen, in offener ehrlicher Feldschlacht zu stellen wagt.

Was hat diese glückliche Fügung der Dinge vollbracht,

worauf beruht neben dem Segen der Allmacht diese enorme Entfaltung unserer nationalen Kraft ?

Auf unserer Organisation, unter dem Anerkenntnis des Gedankens, daß

Freiheit nichts anderes bedeuten kann, als die freudige Unterordnung des Ichs unter eine große, würdige Idee.

Es ist ein Geist, ein Rhythmus, ein Schwung, ein Wille in allen den Helden da draußen und auch in den Duldern im Innern, die

das größte historische Ereignis der Weltgeschichte gezeitigt hat.

Der preußisch-deutsche Militarismus, sagen unsere Feinde.

Die Barbarei des Drills, der Kadavergehorsam!

Sie bedenken nicht, daß die wahrscheinliche Wirkung dieser unserer Erfolge ihre Unterwerfung und später ihre schleunige Annahme

dieses im Kern echt psychologischen Systems in Bausch und Bogen sein wird.

Es ist die Inkarnation des kategorischen Imperativs Kants und der geniale Staatsgedanke Friedrichs des Großen,

die in Deutschland lebendig die deutsche Einheit schuf und nun den Sieg des deutschen Geistes über alles Internationale vorbereitet.

Wunderbar ist, daß ein psychologisch gewiß nicht viel grübelnder Haudegen, der alte Dessauer,

der eigentliche Erfinder des Drills, des Parademarsches, des Strammstehens, des Gamaschendrills usw.

mit seiner Methode hier in direkte Konkurrenz mit dem asketisch-fanatischen Sohn der Kirche, eben Loyola, tritt.

Woher nahm er diesen Tiefblick in die Psychologie der nationalen Masse, wie der Spanier in Jene der einzelnen Menschennatur?

Gewiß ist, daß

der Drill und die katholisch jesuitische Schulung Dinge sind, die aus unserer Kultur kaum jemals verschwinden dürften,

denn sie sind psychologische Meisterwerke.

Es kommt mir nicht bei, etwa unserem herrlichen deutschen soldatischen Bildungsgang auch nur einen Schatten von Jesuitismus aufzubürden :

beide Formen von Schulung gehen im Ziel weit auseinander;

was dort im Dienste eines päpstlichen Kultus und eines Dogmas den Geistern eingepeitscht wurde, geschieht hier

in einer mannhaft starken, würdigen, segensreichsten Erziehung für Gott, König und Vaterland, also für die herrlichsten Kostbarkeiten einer Nation.

Aber dennoch, für den Psychologen ist eine Brücke von einem zum anderen System vorhanden, wenn auch die Methoden völlig verschieden sind. Dort war Ja

freilich die Dressur des einzelnen, die Heranbildung von Genies des Willens zur Entfaltung eines internationalen Geisteszwanges die Hauptsache, und hier

ist das Ziel die Durchbildung der ganzen Nation zu Einzelgliedern einer ungeheuren Organisation der Unterordnung unter den Willen des höchsten Kriegsherrn,

seiner Heerführer und seiner Regierungsorgane.

Hier ist die ganze Nation zum Helden geworden + der einzelne ist stolz, durch Pflichttreue und Hingabe an die Idee des Ganzen

die gewaltigen Impulse der unbezwinglichen Einheit nicht zu stören.

Und doch ist eins beiden gemeinsam, ein nicht beim ersten Blick Offenbares, ein beinahe Unbewußtes,

was eben interessanterweise einen Mechanismus voraussetzt in dem Nervensystem der Soldaten, dem wir eben diese Besprechungen gewidmet haben:

die Schulung der einzelnen, sich der Idee hinzugeben mit Leib und Seele, ohne auch nur einen Rest von Eigennutz und Sonderwillen,

eine eingeübte und mühsam erzogene Auslöschung des Egoismus zugunsten der Erhaltung der Nation,

die einer systematischen Absperrung der Triebe, hauptsächlich des Selbsterhaltungstriebes, sehr nahe kommt. Wie diese

enorme, psychologische Leistung der militärischen Erziehung, abgesehen von ihrem übrigen Bildungssegen, zustande kommt, möchte ich hier kurz berühren.

Es ist gewiß, denn viele aus dem Kriege verwundet Heimgekehrte haben es mir bestätigt, daß im Getümmel der Schlacht,

soweit noch offene Kämpfe vorkommen, eine fast der Bewußtseinsblendung gleichkommende Starre de^ Geistes eintritt,

bei der der einzelne handelt + zwar zweckgemäß, ohne dabei eigentlich ein volles Bewußtsein seines Tuns zu haben.

Es sind mir Fälle erzählt worden, wo Heldentaten, heroische, aktive Kampfhandlungen statthatten unter einer vollkommenen Abblendung der Erinnerung (Amnesie !),

so daß den Kämpfern erst nach dem Ende der Schlacht von Augenzeugen berichtet wurde, was alles sie im rasenden Ansturm gegen den Feind vollbrachten.

Man könnte meinen, wenn so ein Mann im Blutrausch der Schlacht, also halb unbewußt, Tapferkeit bewährt, so sei das eigentlich kein Heldentum.

Die Sache liegt aber doch anders.

Es ist eben eine Wirkung der soldatischen Erziehung,

daß er tapfer bleibt unter allen Umständen,

auch wenn seine Großhirnrinde im fürchterlichen Anprall der menschlich entsetzlichen Geschehnisse in hypnotischer Starre arbeitet;

daß er, zwar halb unbewußt, doch noch die Haltung hat, als habe er noch zweck- und zielbewußt die Heldenseele in sich lebendig und wirkend.

Das ist der Kern der Sache.

Der psychologische Sinn der militärischen Erziehung ist eben der, aus einer Masse von einzelnen einen Organismus zu machen, der,

ganz gleich, was seine Triebe oder Vorstellungen sagen, doch einheitlich handelt,

und zwar allein auf die Willens Impulse seiner Führer hin.

Eine Kompanie, ein Regiment wird in der Hand der Vorgesetzten ein Instrument der zweckgemäßen Aktion,

ihre Ideen spielen und agieren im Willensorgan des einzelnen, der gleichsam nur ein Kraftelement in dem Riesenorganismus eines Heereskörpers geworden ist.

Es ist also eine Art Abtretung des Eigenwillens an die Intelligenz der Führung,

welche solchem Heere die ungeheure, kaum versagende Schlagkraft gibt und die nur denkbar ist, wenn bei jedem einzelnen Mann

übungsgemäß Empfindung und Vorstellung fast abgestellt wird und nur der Kampfesinstinkt, der Wille, dirigiert wird

vom Kommandowort des die Situation von höherer Warte überschauenden Führers.

Eine so ungeheure Verschiebung der einfachsten Grundfunktionen der Seele bedarf natürlich der allergewaltigsten Einübung und Vorbereitung,

und hier wiederum finden wir ein Gesetz bestätigt, dessentwegen wir uns diesen Blick in das militärische Geschehen gestattet haben.

Es werden nämlich gar nicht Tapferkeitsübungen in der Kaserne vorgenommen,

es wird nicht direkt einstudiert, wie man sich nicht fürchten soll und wie man die eventuelle Todesangst überwindet.

Darüber fällt kaum ein Wort auf den Kasernenhöfen, sondern

es wird Haltung geübt, Parademarsch, Richten, Schwenken, Gewehrübungen werden eingedrillt, Stramm stehen, Grüßen, Meldungen, Turnen, Dauermarschieren,

Hitze, Kälte ertragen — genug, alles das getan, was eben den Begriff des Drillens ausmacht.

Dazu kommt die Ordnung in der Kaserne, die Körperpflege, die Kameradschaft, der gemeinsame Gottesdienst, kurz

alles Dinge, welche dem Geiste anderer Armeen so unangenehm wie fremd sind und die doch eine merkwürdige Wirkung haben.

Nämhch ohne direkten Appell an den Mut und die Tapferkeit sind beide doch in vollster Pracht vorhanden, wenn es plötzlich an den Feind geht.

Ich will natürlich nicht bestreiten, daß auch m anderen Armeen ähnliche Schulung vorgenommen wird, aber

der spezifisch preußische Drill würde nicht so oft innen und außen angegriffen sein, wenn man nicht glaubte,

in milderer Form dieselben Massen psychologischer Erfolge zu erzielen. Das ist aber ein schwerer Irrtum, z. B. gerade

unser oft selbst von Militärs gegeißelter Parademarsch hat, ohne direkt die enorme Beinmuskelausdauer bei schlechten Wegen im Auge zu haben,

es doch erreicht, daß die Marschfähigkeit der deutschen Truppen beispiellose Leistungen, die Freund und Feind anerkannt haben, erzielte.

Auch hier wird an einer scheinbar rein ästhetischen, fast zwecklos erscheinenden Nebenübung die Hauptsache,

der Zusammenschluß, die Einheit der Truppenmassen, virtuos eingeübt. Die Armee wird ein von vielen Millionen Muskeln einheitlich bedienter Nationalwille.

Daß aber diese Schulung der schönsten Truppe der Welt dieses bewirkt hat, daß ein Volk wie ein Fechter in der Arena der Kämpfe stets aufrecht steht,

wenn auch aus tausend Wunden blutend auf gewissermaßen indirektem Wege erreicht wird, das bestätigt in zwingender Weise,

was wir vorhin bei der Behandlung nervös Kranker für so überaus wichtig erklärt haben, daß man nämlich gewisse Gruppen von Hirnmechanismen am besten kräftigt,

wenn man nicht sie selbst, sondern fern abgelegene Muskelmechanismen der Hemmung auf das Höchstmaß der Leistungen bringt.

Es sind gleichsam künstlich aufgefüllte Nebenkanäle, welche im Endeffekt dem Hauptstrom seinen rasanten Sturm ins Meer der Ereignisse garantieren.

Man könnte natürlich zahlreiche Beispiele aus den Erziehungsgebieten der Schulung zum Leben, zur Kunst und Wissenschaft herbeiziehen,

welche alle dasselbe beweisen : da es eine Muskulatur des Willens im Gehirn gibt, so gilt es, diese zu stählen;

dabei wird stets der indirekte Weg der allgemeinen Willensgymnastik dem direkten Appell an EinzelSysteme zur Zielstrebigkeit vorzuziehen sein.

Das war es, was ich durch die Psychoanalyse zweier so extremer Methoden, wie Jesuitismus und preußischem Drill, erhärten wollte.


Kriegsstimmung ...............................................................................................................................................................................163

Wen durchzuckt es nicht mit freudig-heiligem Staunen, daß das deutsche Volk in der Gesamtheit, das Volk Beethovens, Kants und Goethes,

im Grunde ein Kriegervolk, ein Volk von heldenhaften Gesinnungen geblieben ist ?

Wo sind die Parteiformeln in Kunst, Wissenschaft und innerer Politik, wo sind die Kämpfe um Moderne oder Klassizität, um Freiheit oder Reaktion,

um Evolution, Feminismus, Rassenhaß, Dogmatik hüben und drüben ?

Alles aufgeblüht und emporgerissen, wie Spreu zur einen Flamme!

Alles verweht wie Nebel, der die klare Spur des Stromes zum Meer der Taten verdeckt hatte.

Und das alles, weil jede Gruppenbildung der Meinungen, ja weil jede, auch die überragendste Persönlichkeit mit ihrer selbst prophetischen Sondergesinnung

so gleichgültig, so absolut ausradiert erscheint vor dem Emporflammen des einen, das allen gemeinsamist:

der Idee des Krieges, der die Seele des Volkes und jedes einzelnen in zwei Grundbestimmungen elementarster Natur zerreißt :

in die Lust zu kämpfen und zu siegen und in den bangen Zweifel, ob wir untergehen.

Jetzt gibt es kein Genie, kein noch so bedeutendes Talent auf Sondergebieten des kulturellen Lebens mehr;

alles ist nivelliert und seelisch uniform zugunsten des Gesamtwillens der Nation + sei der Mensch eine noch so herrliche, einsame--------------------------- 164

Der Krieg und die Nachgeborenen ..........................170

Der Sinn der Kunst ..........................................178

Genie und Talent ............................................200

Die Sonne als Arzt .........................................218

Die Macht der Dunkelheit .................................222

Das Geheimnis der Muttermilch ..........................228

Der Mythos vom Stoffwechsel im Gehirn................238

Die Hysterie - ein metaphysisches Problem............ 249

Der Kreislauf des Lebendigen und die Unsterblichkeit 269


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